Text: Marian Behaneck
Neben den Kosten gehören Termine und Ressourcen zu den neuralgischen Punkten bei Bauprojekten. Traditionelle Mittel wie manuell skizzierte Balkenpläne oder Magnettafeln sind bei unvorhergesehenen Entwicklungen nicht flexibel und schnell genug. Mit Programmen für die Bauzeitenplanung können Planer nicht nur reagieren, sondern auch agieren. Per Mausklick lässt sich präzise berechnen, welche Auswirkungen eine Terminverschiebung auf Folgetermine hat. Doch die Auswahl des richtigen Bauzeitenplaners ist nicht einfach, denn die Programme unterscheiden sich teilweise erheblich voneinander und jedes hat seine individuellen Vorgaben, Schwerpunkte und Einsatzbereiche.

Im herkömmlichen Balkenplan (auch „Gantt-Diagramm“ genannt) repräsentieren die Balken auf einer Zeitachse die zeitliche Abfolge von Aktivitäten und deren Überschneidungen. Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Vorgängen sowie Terminverschiebungen und deren Auswirkungen sind aber nur umständlich und wenig transparent darstellbar. Ein weiterer Nachteil: Soll-Ist-Abgleiche sind zwar mit dickem Filzstift oder Marker möglich, gewerkübergreifende Terminverschiebungen können aber eher erahnt als exakt beziffert werden.
Wer sich nicht auf sein Bauchgefühl verlassen will, nutzt digitale Bauzeitenplaner. Mit ihnen lassen sich die einzelnen Vorgänge verknüpfen und Abhängigkeiten definieren. So lässt sich schnell und exakt berechnen, welche Folgen die Terminverschiebung eines oder mehrerer Gewerke auf die Folgetermine hat. Nur so wird die wahre Terminsituation transparent und kann rechtzeitig eingegriffen werden, wenn der Beginn von Folgearbeiten oder gar der Fertigstellungstermin gefährdet ist.
Neben dem Terminaspekt spielen „Wenn-dann-Analysen“ eine wichtige Rolle bei der Auslotung von Kostenalternativen. Sind die Kostensätze für Vorgänge und Tätigkeiten im Programm hinterlegt, kann beispielsweise ermittelt werden, welche Variante am kostengünstigsten ist. Auch Personal, Fahrzeuge und Geräte lassen sich über digitale Zeitplaner besser auslasten. Balkenpläne werden deshalb von einigen Büro- und Projektmanagement-Programmen auch für die interne Projektplanung genutzt. So können etwa mit Abacus allprojects Termine und Ressourcen mit einer Zeitachse verknüpft und damit vorausschauend geplant und gesteuert werden.
Meilensteine detaillieren
Nach der Projektbeschreibung werden zunächst sogenannte Meilensteine definiert, worin essenzielle Rahmendaten (Grundlagenermittlung, Entwurfs-, Genehmigungs- und Werkplanung, Ausschreibung, Rohbaufertigstellung, Ausbauphase, Bezug) festgelegt werden. Während der folgenden Phasen werden diese Meilensteine stufenweise detailliert. Dabei erhält jede Bauphase einen immer höheren Detaillierungsgrad, da hinter jedem Gewerk eine Vielzahl weiterer Vorgänge und Tätigkeiten steckt.
Daher bieten Terminplanungs-Programme die Möglichkeit, ein Projekt in mehrere Detailpläne zu strukturieren. Je detaillierter eine Projektplanung ist, desto aufwendiger ist sie, aber desto besser können Schwierigkeiten und Terminverzögerungen vermieden und desto gezielter kann das Projekt in der Realisierungsphase gesteuert werden. Der „kritische Weg“ wird an jenen Stellen markiert, an denen die Terminänderung eines Vorgangs die Gesamterstellungszeit eines Bauwerks beeinflussen kann. Ferner lassen sich Pufferzeiten oder der früheste/späteste Arbeitsbeginn für einzelne Gewerke ermitteln. Dabei werden für den gesamten Projektablauf die Vorlaufzeiten, die Koordination zwischen den einzelnen Planern, Ausschreibungs- und Vergabezeiten sowie der Ablauf der Bauausführung mit der Dauer der einzelnen Vorgänge und der ngegenseitigen Abhängigkeiten verknüpft. Da der Fertigstellungstermin in der Regel feststeht, dient er als Basis für die terminliche Rückrechnung. Werden alle Vorgänge eingetragen und verknüpft, lässt sich schnell der notwendige Beginn der einzelnen Arbeiten und der Bauausführung insgesamt ermitteln.
Technisch unterscheidet sich Software für die Bauzeitenplanung (auch „Ressourcenmanagement-“, „Projektsteuerungs-“ oder „Terminplanungs-Software“ genannt) hauptsächlich darin, welche Komplexität von Projekten sie bewältigen, wieviele gleichzeitige Anwender an einem Projekt (Multiuser) sie zulassen kann und wieviele Projekte unter Berücksichtigung gegenseitiger Abhängigkeiten miteinander verknüpft werden können (Multiprojekt). Messbar wird die Komplexität der Projekte und die Leistungsfähigkeit der Software durch die maximale Anzahl von „Vorgängen“. Das sind alle im Rahmen eines Projektes geplanten Ereignisse oder Tätigkeiten. Üblich sind bei kleinen Projekten bis zu 1.000, bei mittleren Projekten bis zu 10.000 Vorgänge. Großvorhaben erfordern eine andere Programmkategorie mit bis zu 100.000 verwaltbaren Vorgängen pro Projekt. Ferner sollten Balkenpläne beliebig strukturierbar sein – von der Übersichts- bis zur Detailplanung (üblich sind 10 bis 24 Strukturierungsstufen). Ein integrierter Kalender sollte auch die Feiertagsregelungen der verschiedenen Bundesländer berücksichtigen. Daneben sollte er projektspezifisch definierbar sein, etwa wenn aufgrund drängender Fertigstellungstermine mit den ausführenden Firmen besondere Arbeitszeiten vereinbart werden. Daher sollten sowohl Arbeitstage pro Woche als auch Arbeitszeiten pro Tag definiert werden können. Ferner sollte der Arbeitswochen-Beginn frei bestimmbar sein, ebenso wie freie Tage. Auch die Dauer eines Vorgangs sollte in Arbeitstagen oder Kalendertagen angegeben werden können.
Die Ablauf- und Terminplanung bildet den Kern von Projektmanagement-Programmen. Dazu bieten Bauzeitenplaner eine Vielzahl von Funktionen. Während beispielsweise die Berechnung des „kritischen Wegs“ zu den Standardfunktionen gehört, erlaubt nicht jede Software, dass Projekte, Vorgänge und Ressourcen jeweils eigene Kalender erhalten. Das ist aber dann wichtig, wenn die Arbeit über das Wochenende zwar ruht, aber beispielsweise Trock.nungszeiten kontinuierlich weiterlaufen. Viele weitere Funktionen sind relevant – wichtig ist, dass die Terminplanung essenzielle Fragen beantwortet: Wie lange dauert das Projekt? Welche Risiken können auftreten? Welche Faktoren können das Projekt verzögern? Welche Vorgänge sind besonders zeitkritisch? Ist das Projekt im Zeitplan? Wie kann man es kostengünstig beschleunigen? Weitere (optionale) Berechnungsfunktionen betreffen die Ressourcen sowie die den Vorgängen zugeordneten Kosten: Lassen sich Ressourcen (Mitarbeiter, Fahrzeuge, Geräte, Ausrüstung etc.) den zu erledigenden Aufgaben zuordnen? Zeigen Diagramme die Über- oder Unterbelegung einer Ressource an und helfen sie die Arbeitsauslastung optimal zu verteilen? Die Zuordnung von Ressourcen und Vorgängen sollte schon in einer frühen Projektphase, beispielsweise auf der Qualifikationsebene, möglich sein und erst später durch konkrete Personen ersetzt werden. Zeigt die Kapazitätsüberprüfung, dass eine Ressource überlastet ist, sollten alle dazu beitragenden Vorgänge angezeigt werden, um schneller Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Im Rahmen des Multiprojekt-Managements ist ferner eine Abstimmungsmöglichkeit von Ressourcen wichtig, die in mehreren Projekten gemeinsam genutzt werden. Auch als Kostencontrolling-Instrument eignen sich Bauzeitenplaner. Sind die Kosten für Vorgänge im Programm hinterlegt, lassen sich Varianten auch unter dem Kostenaspekt bewerten. Terminverschiebungen während der Bauzeit gegenüber dem Bauzeitenplan werden nur dann rechtzeitig erkannt, wenn der tatsächliche Baufortschritt regelmäßig vom Anwender im Programm erfasst wird. Werkzeuge zur Fortschrittsverfolgung und dynamische Statusberichte halten Teammitglieder auf dem Laufenden. Ein Soll-Ist-Abgleich stellt – in der Regel grafisch – die Abweichungen zwischen geplantem und tatsächlichem Projektverlauf dar. Dabei sollten zeitlich befristete Verzögerungen wie zum Beispiel Schlechtwetter ebenso berücksichtigt werden wie Verzögerungen, die sich kontinuierlich auf die Gesamtdauer eines Vorgangs auswirken – etwa ein Krankheitsfall. Auf dieser Basis ermitteln die Programme Prognosen über den weiteren Verlauf der Arbeiten.
Auch die Anzeige/Ausgabe ist wichtig: Vorgänge sollten wahlweise als Balkendiagramm, Netzplan oder Balkennetzplan darstellbar sein, Verknüpfungen sollten grafisch angezeigt werden. Eine Historien-Funktion sollte Planungsstände dokumentieren und Vergleiche mit der aktuellen Planung ermöglichen. Balkenpläne größerer Projekte neigen zur Unübersichtlichkeit, weshalb mehrere Anzeigevarianten zur Verfügung stehen sollten (mehrere Vorgangsbalken pro Zeile, Vorgangsfilter etc.). Das ist insbesondere im Hinblick auf die Anzeige auf kleinformatigen Displays von Mobilgeräten relevant. Für die Farb- oder SW-Druckausgabe sollten die Balken alternativ mit unterschiedlichen Farben oder Mustern dargestellt werden können. Farbfähige A0-Großformatdrucker sind ideale Ausgabegeräte, da neben Farbflächen auch Format-Überlängen möglich sind. Mit einer Posterdruck-Funktion lassen sich auch große Formate auf kleinen Druckern ausgeben. Eine Druckvorschau mit Zoomfunktion hilft, Papier zu sparen.
Eine Palette von Lösungen
Die Bauzeitenplanung ist „Chefsache“. Projekt- oder Bauleiter müssen das Werkzeug auch ohne großen Schulungsaufwand produktiv nutzen können. Eine einfache, am MS-Office-Standard orientierte Bedienung ist dabei ebenso Voraussetzung wie das Bedienungskonzept. Es sollte sowohl für Einsteiger als auch für erfahrene Projektmanager geeignet sein und beispielsweise ebenso über Bedien-“Assistenten“ wie Kurzwegtasten für einen schnellen Funktionszugriff verfügen. Zu den Kostenaspekten zählen neben dem Kaufpreis auch der Support (Erreichbarkeit, Kosten) sowie Updates und Upgrades auf neue Versionen.
Software für die Bauzeitenplanung ist sehr vielfältig. Sie ist als einfaches Excel-Tool, als eigenständige Software oder – wie bei AVA.relax Bauzeitenmanager – als Baustein einer modularen AVA-Lösung erhältlich. Letztere hat den Vorteil, dass die Software auf alle ohnehin erfassten Projektdaten zurückgreifen kann, was Mehrfacheingaben erübrigt. Außerdem muss sich der Anwender nicht auf ein anderes Bedienungskonzept umstellen. Es gibt auch zahlreiche branchenübergreifende Projektplanungs-Programme, wie Acos Plus 1, MS Project oder PLANTA Project, die jedoch spezifische Belange des Bauwesens nicht berücksichtigen. Das fängt schon mit den Begrifflichkeiten an – so werden Begriffe aus dem Projektcontrolling und nicht aus dem Baubereich verwendet. Auch webbasierende SaaS-Lösungen (Software as a Service) gibt es bereits, beispielsweise OpenProject oder Projectplace. Sie ermöglichen eine gemeinsame Projektarbeit sowie einen mobilen Zugriff über das Internet. Außerdem ist die Software stets aktuell und bindet keine PC-Ressourcen. Entsprechend breit ist auch die Preisspanne digitaler Bauzeitenplaner. Sie reicht – je nach Konzept und Leistungsumfang – von null Euro für Open-Source-Software über 15 bis 30 Euro pro Monat bei Mietsoftware bis zu einigen hundert bis mehreren tausend Euro für konventionelle Desktop-Lösungen.
Eine Besonderheit sind Linien- oder Streckenbaustellen wie Straßen-, Gleis-, Tunnel-, Pipeline- oder Brückenbaustellen, aber auch Hochhäuser: Zur Vielzahl von Terminen und Abhängigkeiten kommt hier die Abhängigkeit der Vorgänge mit dem räumlichen Voranschreiten der Baustelle. Das lässt sich übersichtlich in so genannten Weg-Zeit-Diagrammen darstellen, etwa mit TILOS oder Pro-Via. Die Diagramme verknüpfen bei linienbezogenen Projektstrukturen die Terminplanung des Bauablaufs mit Lageplänen, Ansichten oder Schnitten des Bauprojekts und bilden eine Ergänzung zu den konventionellen Balken- und Netzplänen. Stellt die traditionelle Netzplantechnik nur Zeitabstände zwischen den Vorgängen dar, zeigen Weg-Zeit-Diagramme auch Wegabstände. Parallel laufende Tätigkeiten lassen sich dadurch einfacher koordinieren, Überschneidungen und Konflikte besser erkennen.
Vorteile bei der Verknüpfung von Projektzeiten und Geometrien bietet auch die 4D-Simulation: Kommt zur dritten Dimension des CAD-Bauwerksmodells die vierte Dimension „Zeit“ hinzu, kann der geplante Bauablauf simuliert werden. Dazu werden Bauteile des BIM-Datenmodells (Building Information Modeling, siehe auch: „Besser mit BIM“, Ausgabe 6/2010, Seite 30) mit Vorgängen des Bauzeitenplans verknüpft. Bei der 4D-Simulation werden über einen bestimmten Zeitraum Vorgänge durch eine Änderung der Darstellung der verknüpften CAD-Objekte visualisiert (Ein-/Ausblenden, Farbänderung etc.). Damit lassen sich beispielsweise im Vorfeld Konflikte oder bautechnische Probleme auf der Baustelle aufdecken. Bei einer 5D-Simulation wird neben dem 3D-Gebäudemodell und der Zeit auch die Baukostenentwicklung berücksichtigt. Beispiele für 4D/5D-Simulationen sind Asta 4D und RIB iTWO. Möglichkeiten und Chancen der Verknüpfung von Bauwerksinformationsmodellen mit der Terminplanung zeigt auch die Dissertation „Kollaborative Terminplanung auf der Basis von Bauwerksinformationsmodellen“ von Jan Tulke an der Bauhaus-Universität Weimar auf (Download siehe Link unter dem Text).
Ohne Software geht es nicht, …
… ohne Erfahrung aber auch nicht! Auch das beste Programm kann Probleme während der Ausführung nicht vorhersehen oder gar verhindern. Und niemand nimmt dem Anwender die Fleißarbeit ab, etwa das Eingeben der Soll- und das kontinuierliche Einpflegen der Ist-Daten. Zudem liegt es in seiner Verantwortung, dass Termine, Zeitspannen, Abhängigkeiten, Witterungseinflüsse, örtliche Besonderheiten und viele weitere Faktoren korrekt eingegeben und berücksichtigt werden. Ohne Fachwissen und eine mehrjährige praktische Erfahrung des Anwenders als Projektleiter oder Projektsteuerer können Bauzeiten auch mit dem besten Programm aus dem Ruder laufen.
Marian Behaneck ist freier Fachjournalist in Jockgrim (Pfalz).
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