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Foto: Michael Heinrich

Scheibe mit Knick: Die Gestalt von Busbahnhöfen wird vom Dach dominiert - in Nördlingen als Platte mit Vorsprung, entworfen von Morpho-Logic. Links im Bild das P+R-Parkhaus. Foto: Michael Heinrich

[ Verkehrsbauten ]

Schöner anhalten

Deutschland braucht neue Busbahnhöfe – für den wachsenden Fernverkehr und für attraktiveres Reisen vor Ort. Regionale Stationen zeigen, wohin die Reise geht

Text: Simone Hübener

Das Kürzel ZOB steht für „Zentraler Omnibusbahnhof“, und der sieht oft so nüchtern aus, wie das Kürzel klingt: ein paar Bussteige, Wartehallen, Fahrplan-Aushänge, manchmal noch ein Kiosk. Meist fahren hier nur lokale und regionale Busse. Doch jetzt werden zentrale Haltestellen wichtiger: Seit diesem Jahr dürfen innerhalb Deutschlands auch Fernbuslinien betrieben werden, die vorher wegen der Konkurrenz zur Bahn verboten waren. Ihre Stationen können so lieblos sein wie die meisten ZOBs – oder auch neue, repräsentative Eingangstore zu den Städten werden. Etliche regionale Projekte und eine Fernbus-Station zeigen, wohin für diese neuen Tore architektonisch die Reise gehen könnte.

Foto: Michael Heinrich
Scheibe mit Knick: Die Gestalt von Busbahnhöfen wird vom Dach dominiert – in Nördlingen als Platte mit Vorsprung, entworfen von Morpho-Logic. Links im Bild das P+R-Parkhaus. Foto: Michael Heinrich

Das Dach ist das wichtigste und markanteste Gestaltungselement von Busbahnhöfen. Beim Busbahnhof Nördlingen wurde es von Morpho-Logic als geknickte Scheibe ausgebildet, womit die beiden Funktionen der darunterliegenden Fläche angedeutet werden. Unter dem sechs Meter hohen Teil befinden sich die schräg verlaufenden Bushaltestellen mit ihren abgerundeten Ecken. Der 4,5 Meter hohe Bereich markiert die Fußgängerpassage, die die Verbindung zwischen dem angrenzenden Stadtteil und dem Bahnhofsvorplatz herstellt. Das Dach wirkt mit seinem hohen Rand massiv und setzt auch aufgrund des goldfarbenen Streckmetalls ein weithin sichtbares Zeichen. Getragen wird es von dicken rechteckigen Hauptstützen und filigranen Nebenstützen, die nach oben hin konisch zulaufen. Am Fußpunkt sind sie wegen des notwendigen Anprallschutzes in die Bänke aus Sichtbeton mit Sitzflächen aus dunklem Holz integriert.

Die Schaufassade des zum Busbahnhof gehörenden P+R-Parkhauses ist bis auf das Erdgeschoss ebenfalls mit Streckmetall bekleidet. Die Erdgeschosszone erhielt – analog zu den drei anderen Fassaden – eine Bekleidung aus anthrazitfarbenem, perforiertem Trapezblech. Die Fassaden wurden unterschiedlich ausgestaltet, da die Architekten nur für den Busbahnhof die einzelnen Gewerke ausschreiben durften, das Parkhaus dagegen mit einer GU-Ausschreibung realisiert wurde.

Dass das Dach eines Busbahnhofs nicht groß und durchgängig sein muss, zeigt die Station in Halle an der Saale, bei der BLP Architekten viele einzelne Dächer hierarchisch zu einer Einheit zusammengefügt haben. Am größten und höchsten ist das ellipsenförmige Dach über dem Hauptbereich, wo sich auch die dynamische Fahrgastanzeige und der zentrale Wartebereich befinden. Tagsüber scheint durch die PVC-PES-Membran, die als Dachhaut verwendet wurde, die Konstruktion durch. Nachts wird sie von unten angeleuchtet und der Dachrand vom Licht einer umlaufenden, integrierten Leuchte betont. Der zweite Teil der Überdachung, der die Fahrgäste auf die verschiedenen Bussteige leitet und sie dort dem Schutz einzelner „Wartehäuschen“ übergibt, schiebt sich mit seiner lang gestreckten Form darunter. Von „Häuschen“ mag man in diesem Falle nicht sprechen, denn sie haben nicht viel mit den Bildern zu tun, die man davon klassischerweise im Kopf hat. Das Dach verwandelt sich in galantem Schwung zur Wand und geht von dort aus in den Boden über. Auch hier zeichnet ein Lichtband im Rand der Konstruktion die Form nach und unterstreicht vor allem nachts die vermittelte Dynamik. Die Haltestellennummern und die Anzeigetafeln für die verschiedenen Buslinien haben die Planer ganz selbstverständlich in die Y-förmigen Stützen integriert, die das auskragende Dach tragen. Den Architekten ist es bei diesem Projekt gelungen, all die vorgeschriebenen und vorgegebenen Elemente, wie Beschilderung, Fahrkartenautomaten und Mülleimer, in ihr Konzept einzugliedern, sie dort aber in den Hintergrund treten zu lassen, wo das möglich war.

Damit ein Busbahnhof gelingt, müssen Stadtplaner, ­Architekten und gegebenenfalls Landschaftsarchitekten, Verkehrsplaner sowie sämtiche für die Betriebsplanung des ÖPNV zuständigen Instanzen sehr gut zusammenarbeiten. Die Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe geben dabei meist die Form und Ausformulierung der Bussteige mit Sägezähnen, Buchten, Taschen oder linearen Bordsteinkanten vor. Architekten können sich von dieser Form inspirieren lassen – wie beim Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) in Schwäbisch Hall geschehen. Diesen hat das Büro Marquardt Architekten zusammen mit Engelsmann Peters Beratende Ingenieure geplant. Die Architekten übernahmen die organische Form des Busbahnsteigs, der als eine zu umfahrende Insel mit einer Aufweitung nach Süden angelegt ist, für das Dach und teilten es in einen 90 und einen 53 Meter langen Abschnitt. Mit dieser Gliederung markierten die Planer den Mittelzugang des ZOB. Außerdem erlaubt die gewählte „Monocoque“-Bauweise mit einem monolithischen Hohlkörper, die aus dem Flugzeugbau bekannt ist, einen nur acht Zentimeter hohen Dachrand, was vor dem Hintergrund der kleinteilig bebauten, pittoresken Schwäbisch Haller Altstadt sehr positiv wirkt.

Foto: Roland Halbe
Filigran am Altstadt-Rand: Für Schwäbisch Hall realisierten marquardt Architekten eine schlanke Dachform. Sie kann und soll nicht als Teil der benachbarten Altstadt wirken, aber mit ihrer feinen Form auf sie Rücksicht nehmen. Foto: Roland Halbe

Zu seiner klaren und schlichten Erscheinung trägt zudem die Integration der Dachentwässerung und der Beleuchtung in die Konstruktion bei. Auch für den Einbau einer dynamischen Fahrgastanzeige ist Raum gelassen. Mit der kompakten Konstruktion sinkt des Weiteren die Gefahr, dass etwas beschädigt wird. Dank der Revisionsöffnungen in den Stützen sind alle Leitungen und Rohre bei Bedarf zugänglich; die Dachhaut kann für Wartungs- und Reinigungsarbeiten betreten werden. Die Stützenabstände von 19 und 17,25 Metern greifen die Länge der einzelnen Haltestellen auf, woraus sich ein optimaler Betriebsablauf ergibt. Die Sitzbänke wurden ebenfalls von den Architekten entworfen. Hier gab die Stadt glücklicherweise keinen bereits eingeführten Standard vor. Im Gegenteil: Die „Architektenbänke“ gefallen den Verantwortlichen sogar so gut, dass fortan alle Haltestellen der Stadt damit möbliert werden sollen.

Ebenfalls mit einem geschwungenen Dach wartet die neue zentrale Omnibushaltestelle der Universität Regensburg auf – und doch ist sie ganz anders. Das rührt auch daher, dass der Bussteig nicht wie in Schwäbisch Hall langgestreckt ist, sondern die Form eines unregelmäßigen Vierecks hat. Dieses hätte nicht mit einer durchgehenden Dachfläche überdeckt werden können, denn sie wäre zu mächtig und dominant geworden. Deshalb charakterisieren nun ein dreidimensional geformtes Band aus Sichtbeton und ein kleiner Wald aus Stahlstützen die neue zentrale Bushaltestelle, die gleichzeitig den neuen Eingang zum Campus der Universität bildet. Mit dem Sichtbeton nimmt Architekt Christian Kirchberger Bezug auf den Baustoff, der für die meisten der Universitätsgebäude aus den 1970er-Jahren verwendet worden ist. Gleichzeitig kontrastiert die freie Dachform die kubischen Universitätsbauten. Das Projekt hat jetzt eine Anerkennung beim Deutschen Architekturpreis 2013 erhalten.

Hamburg und Ingolstadt: Alles verknüpft

In den bislang vorgestellten Projekten steht der Busbahnhof als Solitär im Stadtgefüge. Anders verhält es sich bei sogenannten Verknüpfungsanlagen. Dazu zählt der Anfang dieses Jahres fertiggestellte Um- und teilweise Neubau des S- und U-Bahnhofs Hamburg-Barmbek mit Busanlage. Mit durchschnittlich 60.000 Fahrgästen pro Werktag ist er der drittgrößte Umsteigebahnhof der Hansestadt und wird nun mit seiner Funktionalität und seiner neuen Architektur dieser Aufgabe endlich gerecht. Ein Planungsteam unter der Federführung des Architekturbüros ap plan mory osterwalder vielmo, Gewinner des Einladungswettbewerbs im Jahr 2004, hat peu à peu die einzelnen Bauabschnitte bei laufendem Betrieb realisiert. Der Bahnhof wurde komplett umstrukturiert und erhielt neue Zugangsbauwerke für die Schalterhallen Ost und West sowie drei neue Dächer über den Bus-Wartebereichen. Diese neuen Dächer rahmen den Hochbahnsteig der S- und U-Bahnen ein und sind mit Längen zwischen 55 und 265 Metern gleichzeitig die markantesten Elemente der gesamten Anlage. Anders als in Nördlingen wirken sie aufgrund der Konstruktion aus Y-förmigen Stahlstützen und federleichten Folienkissen aus Ethylen-Tetrafluorethylen (ETFE) sehr filigran. Die verspielte Schlichtheit der neuen Überdachungen kommt auch deshalb so gut zur Geltung, weil die Planer – analog zu anderen Projekten – alle nötigen Leitungen in der Konstruktion verschwinden ließen. Die eindeutig schönere Optik und der Schutz vor Vandalismus rechtfertigen am Ende diesen Mehraufwand.

Gleich ein ganzes Gebäude als „Dach“ für den Busbahnhof ist im bayerischen Ingolstadt entstanden. Es ersetzt den alten Bau am Nordbahnhof, der vor seinem Abriss bereits längere Zeit leer gestanden hatte, und steht auf dem ehemaligen Bahnhofsvorplatz. Im Erdgeschoss befinden sich die Bussteige und die dazugehörenden Nutzungen, wie Bäcker, ein Kiosk und sogar eine Lounge für die Transfer-Passagiere der Lufthansa-Busse zum Flughafen München. Darüber ordneten die beiden Projektpartner Maier Neuberger Architekten und zurmöhle architekten münchen fünf Parkebenen an, daneben drei Geschosse für Büros. Diese Differenzierung ist von außen kaum zu erkennen, denn vertikale, schlanke Fassadenelemente aus gefärbtem Sichtbeton fassen alles zu einer Einheit zusammen. Das Gebäude stellt die Verbindung zwischen Straßenbahn, Auto, Regionalbahn und Bus her. Mit ihm gaben die Architekten dem bislang unwirtlichen Ort eine Initialzündung und stießen seine weitere Entwicklung an. Man darf nun gespannt sein, was im Umfeld des Ingolstädter Busbahnhofs in den kommenden Jahren geschieht.

Fernbus-Stationen, die jetzt vermehrt gebraucht werden, sind planerische Sonderfälle unter den ZOBs. Sie müssen gut mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln und möglichst auch mit dem Auto erreichbar sowie gut an das Autobahnnetz angebunden sein. Verglichen mit lokalen Knotenpunkten stehen die Busse stehen viel länger an ihren Haltestellen und die Flächen zum Be- und Entladen müssen größer sein. Neben den Haltestellen selbst müssen oft noch Wartehallen, Toiletten, Waschgelegenheiten, Schließfächer für Gepäck und vieles mehr untergebracht werden.

Das Problem ist aber, dass die Betreiber verschiedener Busnetze nicht zur Nutzung gemeinsamer Terminals gezwungen werden können. Je durchdachter und besser organisiert die Anlage ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die verschiedenen Unternehmen nicht irgendwo in der Stadt Haltestellen einrichten, sondern vom Angebot eines Terminals Gebrauch machen.

Doch auch eine durchdachte Architektur ist keine Erfolgsgarantie, wenn Bus-Betreiber die geforderten Gebühren nicht zahlen mögen. Damit plagte sich seit seiner Eröffnung im September 2009 der Busbahnhof in München herum – entworfen vom Büro Auer + Weber. Seine 29 Bushaltebuchten im Erdgeschoss werden ergänzt durch tausende Quadratmeter für Handel, Gastronomie und Büronutzung. Eine Hülle aus Aluminiumröhren fasst alles zu einer Einheit zusammen. Sie erinnert mit ihrer Form an den Triebkopf des ICE 1. Dadurch vermittelt das Gebäude nicht nur eine Dynamik, die seiner Nutzung entspricht, sondern korrespondiert auch mit den vorbeirauschenden Zügen, die vom nahegelegenen Münchner Hauptbahnhof kommen oder diesen anfahren.

Foto: Roland Halbe
Verwaist in der City: Trotz eines anspruchsvollen Konzepts stand der Busbahnhof in München von Auer + Weber weitgehend leer. Erst jetzt beleben ihn neue Fernbus-Linien durch Deutschland. Foto: Roland Halbe

Zu schaffen machten dem Betreiber allerdings die zahlreichen alternativen und meist kostenlosen Haltestellen innerhalb Münchens. Statt den neuen, gebührenpflichtigen ZOB anzusteuern, ließen die Busunternehmen ihre Fahrgäste lieber anderswo ein- und aussteigen. Hinzu kam die Tatsache, dass der ZOB innerhalb der Umweltzone liegt. Alte Fahrzeuge bleiben da außen vor. Damit wird deutlich, dass die Architektur bei einem solchen Projekt auch nicht alles richten kann. Mit der Liberalisierung des Fernbusverkehrs zu Beginn dieses Jahres und den neu eingerichteten Linien innerhalb Deutschlands wird der Münchner Busbahnhof inzwischen jedoch besser genutzt.

Simone Hübener ist Fachjournalistin für Architektur und Bauen in Stuttgart.

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