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Selbstbewusst und kritisch: Gerhard ­Matzig versteht sich als Mittler zwischen Laienöffentlichkeit und Architektenschaft.

[ Schwerpunkt: Kommunikation ]

Die Geschichte dahinter

Wie kommt Architektur in die Tagespresse? Bauliche Qualitäten allein genügen Gerhard Matzig von der Süddeutschen Zeitung nicht. Für ihn werden Gebäude erst durch das interessant, was sie über die Gesellschaft erzählen

Selbstbewusst und kritisch: Gerhard ­Matzig versteht sich als Mittler zwischen Laienöffentlichkeit und Architektenschaft. Foto: P. Felbert

Interview: Cornelia Dörries

Wie suchen und finden Sie als für Architektur verantwortlicher Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“ Ihre Themen, Projekte und Fragestellungen?

Da wäre zunächst das, was ich als Agenda bezeichnen möchte. Wenn in der Öffentlichkeit mal wieder über ein Projekt gestritten wird – sei es der Berliner Großflughafen, Stuttgart 21 oder die Frage, warum Bonn eine neue, von Zaha Hadid geplante Musikhalle nicht will -, dann hat die Süddeutsche Zeitung selbstverständlich den Auftrag, darüber zu berichten. Zweitens gibt es Themen, die sich Redakteure, Mitarbeiter oder Autoren ausdenken. Wir überlegen dann, wie sich einer Fragestellung ein neuer Aspekt abgewinnen lässt und aus welcher Perspektive das gelingen kann. Es hängt auch vom Temperament der Beteiligten ab, was und worüber geschrieben wird. Und drittens bekommen wir Anregungen von außen, häufig von Architekturbüros, die ein Projekt zur Besprechung vorschlagen. Solche Themen finden zwar kaum den Weg ins Blatt, aber sie sind für uns trotzdem eine Informationsquelle.

Was sollten Architekten oder ihre Berufsvertretungen, wie Kammern oder BDA, anders machen, wenn sie sich mit Pressemitteilungen an Redaktionen wenden?

Wir lassen uns von den Funktionären eigentlich kaum mit Themen beliefern. Eine Chronologie der laufenden Baukulturereignisse findet bei uns nicht statt. Damit meine ich die ganz klassische Architekturkritik, in der ein neues Hochregallager da und ein neues Museum dort besprochen werden. Diese Dinge überlassen wir den Fachzeitschriften, die sich als Kommunikationsplattform innerhalb der Architektenschaft verstehen. Wir widmen uns nur ganz gezielt einzelnen Objekten, über die wir noch etwas anderes, über die Architektur Hinausgehendes erzählen können. Ich habe mal eine Architekturkritik geschrieben, da ging es um ein Porsche-Auslieferungszentrum, doch daran hat mich weniger die Architektur interessiert als vielmehr der Umstand, dass namhafte Büros Corporate-Architecture-Projekte für Autofirmen realisieren, wohlgemerkt in einer Zeit, in der der Nimbus des Autos schon stark eingebüßt hat. In einer Fachzeitschrift wäre ich für so einen Artikel gefeuert worden. In einer Tageszeitung erreiche ich damit jedoch mehr als mit einer konventionellen Besprechung eines Gebäudes.

Dürfen wir das als praktischen Hinweis für die PR-Abteilungen von Architekturbüros verstehen?

Nur die Mitteilung über ein neu entstandenes Blockheizkraftwerk, das sich schön in die Landschaft einfügt, ist für mich nicht so interessant. Aber die Geschichte dahinter – und ich finde, eigentlich erzählt ja jedes Haus auch eine Geschichte über die Gesellschaft –, die sollten die Architekten dem Redakteur nahebringen. Und das ist eben mehr als diese routinierten Beschreibungen von guten Proportionen und stimmigen Materialien. Dazu kommt, dass das Schönheitsempfinden von Architekten einerseits und Laien andererseits oft völlig gegensätzlich ist. Büros schicken mir von ihren Projekten manchmal Bilder, die man nur verwenden könnte, wenn man dagegen agitieren wollte. Was Architekten als Ausdrucksstärke imponiert, verschreckt mitunter den Leser, der dann schreibt: „Wieder mal ein Haus, das die Stadt verschandelt“. Die Rezeption von Architektur ist in der Öffentlichkeit anders als innerhalb der Architektenschaft. Doch Baukultur erfordert beide Seiten. Und genau da liegt meine Aufgabe. Ich verstehe mich sozusagen als Paar­therapeut.

Welche Architekturthemen erzeugen denn die stärkste ­Resonanz?

Mein größter Erfolg war ein Artikel über Stuttgart 21, der einen Leser veranlasste, mir 17 Leitz-Ordner zuzuschicken – mit dem Hinweis, dass ich darin detailliert nachlesen könne, warum ich von dem Projekt überhaupt keine Ahnung habe. Solche umstrittenen Projekte erzielen viel Aufmerksamkeit. Aber auch Stadtentwicklung, die Frage von Nachverdichtung oder Hochhäuser sind Themen, die viele Menschen beschäftigen und aufregen. Schreiben Kritiker temperamentvoll über Bauwerke, zustimmend oder ablehnend, ruft das immer Leser auf den Plan, die es genau andersherum sehen. Es gibt jedenfalls ein großes Interesse, sich über Architektur auseinanderzusetzen.

Welche Rolle spielen denn die Medien im Rummel um die Architektenprominenz und Signature Buildings? Oder anders gefragt: Ist der Star-Architekt ein Medienprodukt?

Um es gleich vorwegzunehmen: Der Begriff des Star-Architekten steht bei mir eigentlich auf dem Index. Aber es gibt ihn. Und wer diese Stars macht? Natürlich in erster Linie sie sich selbst. Das sind hochtalentierte Menschen, die es schaffen, über eine lange Karriere ein bestimmtes Segment so zu besetzen, dass man an ihnen nicht vorbeikommt. Ein großes Können muss schon vorhanden sein. Ich kenne keinen „Star-Architekten“, der nur von den Medien gemacht worden wäre. Aber die sind ein ungeheurer Verstärker. Ab einem gewissen Punkt läuft das gewissermaßen von selbst. Da schreibt dann ein Journalist vom anderen ab, es gibt Rückkopplungseffekte. Häuser dieser Architekten, so banal sie auch sein mögen, werden immer besprochen, weil das öffentliche Interesse aufgrund der Bekanntheit größer ist. Da sollte nicht der Name entscheidend sein, sondern die Qualität der Architektur. Leider ist es kein Problem, ein interessantes Projekt von einem unbekannten Architekten zu ignorieren, denn der Chefredakteur beschwert sich nur, wenn man den neuesten Aufreger-Bau von Zaha Hadid nicht auf dem Radar hatte. Aber weil die Zeitung ja nicht für den Chefredakteur gemacht wird, muss ein guter und selbstbewusster Architekturkritiker auch immer wieder gelungene Bauten von unbekannten, jungen Architekten in den Fokus rücken.

Wie gelingt es Ihnen selbst, weniger spektakuläre Themen zu platzieren?

Ich habe mal einen Leitartikel fürs Feuilleton über die HOAI geschrieben. Da haben sich andere gefragt, ob ich völlig verrückt geworden sei. Anlass war die letzte Novelle der Honorarordnung, und alle schüttelten mit dem Kopf: ‚HOAI, das kennt kein Mensch, das interessiert doch niemanden.‘ Ich habe dann erklärt, dass man anhand dieses Themas nicht nur viel über den Berufsstand des Architekten schreiben kann, sondern dass es die ganze Gesellschaft betrifft.

Architektur wird trotzdem häufig als elitäres Thema verhandelt – etwa auf dem Höhenniveau von Zwölftonmusik und abstrakter Malerei. In niederschwelligen Medienformaten, etwa im Fernsehen, findet Architektur hingegen fast gar nicht statt, sieht man von Ausnahmen wie der Serie „Traumhäuser“ ab.

Dass gerade das Fernsehen so ein schwieriges Verhältnis zur Architektur hat, ist tatsächlich interessant, denn sie ist ja der geradezu perfekte Bilderlieferant. Doch wenn mal über Architektur berichtet wird, bleibt es an der Oberfläche, so wie neulich im „heute journal“, in dem kurz über Eröffnung der Tanzenden Türme in Hamburg berichtet wurde. Natürlich fiel in diesem Bericht nicht einmal der Name des Architekten. Das scheint ebenso unwichtig zu sein wie die Architektur und was damit zusammenhängt. Dabei könnte man gerade anhand dieses Projekts so ein Thema wie Gentrifizierung wunderbar erläutern. Aber dazu müsste man sich eben mit Architektur und ihren Akteuren beschäftigen.

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