Text: Myrta Köhler
Zwei Jahre nach den Anschlägen vom 11. September soll ein anonymer
Architekturwettbewerb für die künftige Gedenkstätte auf Ground Zero entschieden werden.
Doch als die Jurymitglieder den Namen des Gewinners lesen, sind sie schockiert: Der
Architekt heißt Mohammad Khan. Kann und darf ein Muslim der amerikanischen Trauer
Gestalt verleihen?
Ein genial einfacher Plot dient der Autorin als Rahmen für ein vielschichtiges und
realitätsnahes Bild der amerikanischen Reaktionen auf 9/11. Amy Waldman (*1969) war
Korrespondentin für The Atlantic und leitete mehrere Jahre lang das Neu Delhi-Büro der
New York Times. Ihr Roman-Debut Der amerikanische Architekt trifft zielsicher die
Achilles-Ferse einer ganzen Nation.
Der Originaltitel, The Submission, lässt sich sowohl mit „Einreichung“ als auch
„Unterwerfung“ übersetzen. Aber wer unterwirft wen? Zwischen Manipulation und dem
Wunsch nach Authentizität schlingern die einzelnen Charaktere: Die reiche Witwe Claire
Burwell, die in der Jury die Angehörigen vertritt; Mohammad Khan, ein ehrgeiziger
Architekt und überzeugter Amerikaner; Alyssa Spier, eine ebenso ehrgeizige
Klatschreporterin; Sean Gallagher, dessen Bruder als Feuerwehrmann bei den
Bergungsarbeiten ums Leben kam; und die Witwe Asma Anwar, eine illegale Einwanderin
aus Bangladesch. Der Autorin gelingt es, Empathie für jede der Figuren zu wecken, ohne
selbst Partei zu ergreifen, und macht so die Mechanismen nachvollziehbar, die eine
Bevölkerung mobilisieren – und radikalisieren.
Im Garten, so der Name des Siegerentwurfs, sieht Claire zunächst eine
versöhnliche Geste, einen Ort, an dem jeder Freude finden kann. Im Gegensatz zu dem
anderen Finalisten, Das Nichts, ein düsterer Monolith, der als „geschaffene Zerstörung“ an
den Tag der Katastrophe erinnern soll. „Nur weil wir der Toten gedenken, müssen wir doch
keinen Ort schaffen, der tot ist“, so Claire. Doch selbst für sie wird der Garten schließlich
zum trojanischen Pferd: Symbolisiert er nicht vielleicht doch das Paradies für muslimische
Selbstmordattentäter? Waldmans Roman reflektiert über die angemessene Form eines
nationalen Denkmals und stellt damit auch die Frage, wer über diese Form entscheiden
darf. Ein Happy-End wäre wohl keine realistische Antwort…
Amy Waldman
Der amerikanische Architekt
Schöffling & Co. Verlag, Frankfurt am Main 2013
Aus dem Englischen von Brigitte Walitzek
512 Seiten
€ 24,95