Von Marian Behaneck
Jeder misst das Gleiche – und doch braucht jeder andere Ergebnisse: Planer messen Grundrisse oder Fassaden auf, um Bestandspläne anzufertigen oder zu aktualisieren. Energieberater erfassen Räume und Hüllflächen, um die Gebäudeenergiebilanz berechnen zu können. Bauleiter prüfen Rechnungen anhand separat oder gemeinsam mit dem Handwerker erstellter Aufmaße. Denkmalpfleger benötigen porträtierende, verformungsgetreue Aufmaße, mit denen auch der qualitative Bauzustand erfasst werden kann. Facility-Manager erfassen Geometrie- und Sachdaten von Gebäuden oder technischen Anlagen, um diese effizienter bewirtschaften zu können.
Für jede Aufgabe bieten Hard- und Softwarehersteller die passende Lösung. Sogar mehr oder weniger brauchbare Aufmaß-Apps für das Smartphone gibt es bereits (siehe auch Online-Übersicht). Entsprechend schwer fällt die Auswahl der richtigen Technik. Hinzu kommt die Vielfalt der Aufmaßverfahren: Es gibt 2D-Aufmaßsysteme, das tachymetrische 3D-Aufmaß, das 2D- oder 3D-Fotoaufmaß und das 3D-Laserscanning (Tabelle und weiterführende Links finden Sie hier). Was sich wann für wen eignet, hängt davon ab, welche Messdaten man braucht und was man damit vorhat.
Das Planeraufmaß dient in der Regel der Planerstellung, Aktualisierung oder Bestandsdokumentation. Dafür werden häufig 2D-Erfassungssysteme eingesetzt, bestehend aus einem Laser-Distanzmesser mit PC-Schnittstelle, der Aufmaßsoftware und einer mobilen Hardware. Ist kein Laser-Distanzmesser vorhanden, können Distanzen auch konventionell mit Bandmaß und Zollstock gemessen und manuell eingegeben werden, was jedoch umständlich ist.
Das Prinzip der 2D-Systeme ist einfach: Man zeichnet oder wählt eine den tatsächlichen Verhältnissen ähnelnde Grundrissform. Danach fragt das System nacheinander alle erforderlichen Maße ab (Wandlängen, Diagonalen und ggf. die Höhe). Aus den gemessenen Wandlängen und den Raumdiagonalen wird ein maßstäbliches Raumpolygon erzeugt. Mehrere Räume werden über Referenzpunkte verknüpft und sukzessive zu einer Grundriss-Innenkontur zusammengefügt. Die Außenwanddicke wird über Fenster- und Türlaibungen erfasst, sodass eine komplette Grundriss-Skizze entsteht, die anschließend per DXF-Schnittstelle an ein CAD-System zur Weiterbearbeitung übergeben werden kann. Neben diesen geometrischen 2D-Aufmaßsystemen gibt es auch mengen-/raumorientierte Systeme für die Ermittlung des Umfangs von Bauleistungen (siehe unten).
Vorteile bieten alle rechnergestützten Aufmaßverfahren: Die strukturierte Abfrage sowie teilweise auch Plausibilitätskontrollen tragen dazu bei, dass Aufmaßdaten möglichst vollständig und korrekt sind – auch wenn man zwischendurch vom Bauherren oder Handy abgelenkt wird. Zudem genügt in der Regel eine Person, während das manuelle Aufmaß mindestens eine messende und eine notierende/skizzierende Person erfordert. Und die digitale Erfassung der Bestandsdaten noch vor Ort erübrigt einen kompletten Arbeitsschritt: die langwierige und fehlerträchtige Eingabe der analogen Messdaten in den Bürorechner.
Bei krummen und schiefen, runden oder frei geformten Räumen und Objekten sowie bei der 3D-Erfassung stoßen 2D-Aufmaßsysteme naturgemäß an ihre Grenzen. Für diese Fälle sind tachymetrische Systeme besser geeignet. Das sind auf einem Tachymeter (Kombination aus Winkel- und Distanzmessgerät) oder speziellen Aufmaßgeräten basierende Systeme, die die Raumkoordinaten wichtiger Punkte eines Raumes oder Gebäudes über Horizontalrichtungt, den Vertikalwinkel sowie die gemessene Distanz erfassen.
Aus den per Bluetooth auf den mobilen Rechner übertragenen Messdaten werden unmittelbar vor Ort 3D-Aufmaßskizzen erstellt. Teilweise werden parallel sogar echte 3D-Bauteile eingegeben, so dass gleich beim Aufmaß ein BIM-Gebäudemodell entsteht (Building Information Modeling, siehe www.bim-measurement.com).
Fotobasierende Aufmaßsysteme sind prädestiniert für die zwei- oder dreidimensionale Erfassung von Gebäudefassaden, Fassadendetails, -oberflächen und -strukturen. Bei diesem Verfahren werden die zum einen durch Betrachterperspektive, zum anderen auch durch die Kamerageometrie oder Optik bedingten Bildverzerrungen im Foto von der Software herausgerechnet. Dazu werden eine Gebäudefassade, eine Innenwand oder ein anderes Objekt, zum Beispiel ein Bestandsplan, mit einer Digitalkamera fotografiert.
Das Digitalfoto wird anschließend in das Fotoaufmaß-Programm geladen und perspektivisch entzerrt. Danach wird es an ein CAD-Programm übergeben, kalibriert und quasi „durchgepaust“. Alternativ kann die Neuplanung einfach über das Foto gezeichnet und anschließend gemeinsam ausgegeben werden. Diese Technik wird beispielsweise in der Denkmalpflege für die Erfassung baulicher Schäden (Schadenskartierung) genutzt. Mit Hilfe der so genannten Stereofotogrammetrie lassen sich anhand zweier oder mehrerer Fotos auch 3D-Gebäudemodelle generieren.
Laserscanner-Systeme haben ihre Stärken bei der schnellen Erfassung komplexer Raum-, Gebäude- oder Anlagenstrukturen, bei der Erfassung historischer Gebäudesubstanz oder bei technischen Anlagen. Im Gegensatz zum oben genannten tachymetrischen Messverfahren erfasst ein zentral aufgestellter Laserscanner nicht einzelne Messpunkte selektiv, sondern in Sekundenschnelle eine Vielzahl von 3D-Objektkoordinaten in einer sogenannten „Punktwolke“. Diese aus mehreren Millionen 3D-Messpunkten bestehenden Daten müssen in einem zweiten Arbeitsgang für die weitere Nutzung (CAD-Planung, Visualisierung etc., siehe z. B. www.laser-scanning-architecture.com) manuell oder halbautomatisch ausgewertet werden.
Immer das richtige Werkzeug
Planer müssen vorhandene Planunterlagen überprüfen, aktualisieren und digitalisieren – oder neue Bestandspläne erstellen. Diese werden, gegebenenfalls zusammen mit zusätzlich erfassten Objekt- oder Sachdaten, direkt in ein CAD-System eingepflegt oder per Schnittstelle übertragen. Beim Planeraufmaß reicht die Palette von der alphanumerischen Längen-, Flächen- oder Volumenermittlung bis zur umfassenden dreidimensionalen Erfassung einzelner Bauwerke oder ganzer Stadtviertel. Welche der oben beschriebenen Erfassungssysteme dabei zum Einsatz kommen, hängt von der jeweiligen Aufgabenstellung, vom Objekt und den Randbedingungen ab. Von Fall zu Fall ist auch der parallele Einsatz mehrerer Verfahren erforderlich.
Auch Energieberater kommen um ein präzises Vor-Ort-Aufmaß oft nicht herum. Für die Raumgeometrie und die Bauteile bieten sich 2D-Erfassungssysteme an. Den Aufwand für eine präzise Hüllflächenermittlung kann man mit einem fotografischen Aufmaß minimieren, wofür auch spezielle Programme offeriert werden (u.a. BKI Fotoaufmaß, Foto-Aufmaß Professional etc.): Das Digitalfoto wird im Programm korrigiert, perspektivisch orientiert, kalibriert und ausgewertet. Alle Wand- und Fensterflächen werden zur weiteren Berechung an ein Energieberatungsprogramm übergeben.
Für Bauleiter sind vor allem mengen- oder raumorientierte 2D-Aufmaßsysteme interessant. Sie dienen der Erfassung von Längen, Flächen und Volumina mit nachvollziehbarem Rechenansatz, um Rechnungen prüfen, Leistungen nachweisen oder Angebote erstellen zu können. Dabei werden mithilfe einer meist REB-konformen Formelsammlung und eines Aufmaß-Assistenten Flächen und Abzugsflächen alphanumerisch oder skizzenorientiert erfasst. Je nach Anwendungsfall und Programm werden Raumaufmaße, Spaltenaufmaße oder freie Aufmaße generiert. Die gemessenen Werte lassen sich teilweise den Positionen eines Leistungsverzeichnisses zuordnen (z. B. MWM Piccolo), was beispielsweise die Rechnungsprüfung oder LV-Erstellung rationalisiert.
Denkmalpfleger benötigen vor allem porträtierende, verformungsgetreue Aufmaße, mit denen auch Schiefwinkligkeiten, krumme und schräge Bauteile sowie Tragwerksverformungen in einer Genauigkeit von ± 2 mm und höher erfasst werden können. Darüber hinaus müssen der qualitative Zustand, Oberflächen oder Strukturen erfasst werden, weshalb unterschiedliche Methoden, teilweise auch parallel, zum Einsatz kommen: tachymetrische und fotogrammetrische Systeme ebenso wie das Laserscanning.
Die Besonderheit des Facility-Management-Aufmaßes liegt in der Erfassung und Verknüpfung von Geometrie- und Sachdaten, wobei letztere meist in Form von Raumbüchern erfasst werden. Diese enthalten Angaben zur Fläche, Höhe, zum Bodenbelag, zu Wandoberflächen, Einbauteilen wie Fenstern und Türen, zu Installationen, zum Inventar und so weiter. Nur wenige Erfassungssysteme können gleichzeitig Geometrie- und Sachdaten in der für das Gebäudemanagement erforderlichen Detaillierung und Struktur erfassen. Daher ist die Auswahl auf einzelne Anbieter, wie z. B. www.grae-bert-isurvey.com, begrenzt. Häufig werden auch spezialisierte Aufmaßdienstleister beauftragt.
Mobile Hardware bietet Vor-Ort-Auswertung
Mobile „Hardware“ macht das digitale Vor-Ort-Aufmaß erst möglich. Dazu gehören vor allem Notebooks, die kompakteren Netbooks, Tablet-PCs, Smartphones, aber auch Laser-Distanzmessgeräte und Digitalkameras. Dank mobiler Hardware und der darauf installierten Aufmaß-Software erkennt man schon vor Ort, ob alle wesentlichen Messdaten erfasst worden sind. Sind Einzelmaße oder Details unklar, können Fragen unmittelbar am Objekt geklärt werden. Kompakte Pocket-PCs und die zunehmend favorisierten Smartphones haben den Vorteil, dass sie – am Unterarm mit einer speziellen Klettband-Halterung befestigt – beim Aufmaß kaum behindern. Nachteilig ist ihr kleiner Bildschirm. Das Notebook/Netbook oder der Tablet-PC leisten, gegebenenfalls um Schulter und Bauch geschnallt, netzunabhängig für drei bis vier Stunden oft bessere Dienste – bei der Erfassung unmittelbar am Objekt wie bei der Auswertung im Büro.
Eine wirtschaftliche Alternative zu Bandmaß und Zollstock sind Laser-Distanzmessgeräte. Die Messwerte können zwar auch vom Display abgelesen und eingetippt werden, rationeller und fehlerfreier ist die Messdatenübertragung per Bluetooth-Funkstandard. Allerdings bietet derzeit nur noch ein Hersteller (Leica Geosystems) entsprechende Geräte an.
Bei kurzen Distanzen oder beim Detailaufmaß sind Laser-Distanzmessgeräte eher hinderlich. Praktischer sind ein Zollstock und eine Digitalkamera. Letztere ist auch beim Fassadenaufmaß sehr nützlich, wobei hier Bildauflösungen von mindestens fünf Megapixel und eine gute Kameraoptik Voraussetzung sind. Foto-Handys sind eher eine Notlösung.
Gute Technik gibt es natürlich nicht zum Nulltarif. Wer auf der Baustelle digital aufmessen will, muss seine Hardware aufrüsten und deutlich mehr Geld ausgeben als für Zollstock, Bandmaß, Bleistift und Papier. Die Investitionskosten liegen zwischen 1.000 und 2.500 Euro für einfache 2D-Erfassungssysteme, bestehend aus Aufmaßsoftware, mobilem PC, Laser-Distanzmesser inklusive Bluetooth-Schnittstelle und gegebenenfalls einer Kamera. Für 3D-Aufmaßsysteme muss man zwischen 6.000 und 12.000 Euro (tachymetrische Systeme) und zwischen 30.000 und 70.000 Euro (Laserscanner-Systeme) investieren. Fotobasierende Systeme kosten zwischen 500 (einfache Bildentzerrung) und 10.000 Euro (Stereofotogrammetrie).
Selbst aufmessen oder aufmessen lassen?
Digitale Aufmaßsysteme sind keine Universalwerkzeuge, und nicht alle Verfahren sind für den gelegentlichen Einsatz in einem Architekturbüro geeignet. Kein digitales Aufmaßsystem kann Bauwerke automatisch erfassen. Man kann jedoch den manuellen Aufwand – von der Datenerfassung bis zur Eingabe in ein CAD- oder CAFM-System – erheblich minimieren. Der entscheidende Vorteil ist, dass beim rechnergestützten Aufmaß zugleich gemessen und digitalisiert, teilweise auch unmittelbar zwei- oder dreidimensional konstruiert wird. Die digitalen Messdaten stehen sofort zur Weiterverarbeitung am PC zur Verfügung und ein kompletter Arbeitsgang entfällt: das zeitintensive und fehlerbehaftete Eintippen am PC.
Während sich 2D-Erfassungssysteme und das Fotoaufmaß auch für einen gelegentlichen Einsatz eignen, werden tachymetrische und Laserscanner-Systeme schon aus Kostengründen eher als Dienstleistung von Dritten bestellt. Wer selbst etwas erwirbt, sollte auch auf den Auswertungsaufwand und auf eine einfache Bedienung achten.
Marian Behaneck ist freier Fachjournalist in Jockgrim (Pfalz).
Nützliche Links und weiterführende Hinweise finden Sie hier.
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