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Scheinbares Chaos: Auch wenn es im Amazon-Logistikzentrum Leipzig unübersichtlich aussieht, kennt der Computer den Stadort jedes einzelnen Produkts.

[ Schwerpunkt: City und Vorstadt ]

Lagerarbeit

Logistikarchitektur ist eine Planungsaufgabe, die nicht immer gestalterischen Ehrgeiz erfordert. Hier zählt vor allem Ökonomie.

Von Leila Haidar

Weil Spediteure oft den Großteil ihrer Investition in das Logistikzentrum stecken, spielen Funktionalität und Wirtschaftlichkeit dieser Gebäude eine noch größere Rolle als in anderen Bereichen der Bauplanung. Der wichtigste Aspekt ist die optimale Raumnutzung: möglichst große Lagerflächen auf möglichst kleinem Raum.

Spezialisiert auf kleinere Lagerhallen unter 2.000 Quadratmetern ist Architekt Franz-Josef Marks aus Obersulm bei Heilbronn. „Viele Vorgaben, wie Brandschutzmaßnahmen, greifen bei kleineren Gebäuden noch nicht. Dadurch können wir besonders wirtschaftlich bauen“, weiß der 53-Jährige. Der Spediteur Roland Rüdinger errichtet mit dem Architekten gerade seine elfte Lagerhalle im ländlichen Boxberg bei Tauberbischofsheim.

Marks geht sehr sparsam mit den Materialien um. Zwar setzt er den recht teuren hochfesten Stahl (ST 57) ein, wendet aber Tricks an, um das Gesamtgewicht der Halle zu reduzieren. Beispielsweise plant er Stützen, die unten einige Zentimeter schmaler sind als oben. Das tut der Statik keinen Abbruch und nutzt Lastreserven aus, spart aber Stahl. Träger, Binder und Stützen sind Fertigteile, die auf der Schweißstraße zu einem T-Träger zusammengeschweißt werden, je nach Anforderungen des Objekts. Weil bei der Lagerung von Saatgut, Werkzeugmaschinen und Schrauben kein besonders hohes Gewicht auf das Gebäude wirkt, sparte Marks außerdem an Fundament und Unterbau.

 

Seit 27 Jahren konzentriert sich Marks auf Industriebau. Für die sich ändernden Anforderungen im Logistikbereich hält sich der seit 2004 selbstständige Architekt mit Besuchen auf Fachmessen und einem guten Kontakt zu Herstellern und Anbietern auf dem Laufenden. Auch lernt er von seinen Kunden – und diese von ihm: Als die Spedition Rüdinger vor vier Jahren ihr erstes Projekt mit Marks realisierte, setzte sie noch auf Blocklager. Doch der Architekt erklärte dem Bauherrn, dass man Multifunktionshallen erstellen kann, die sowohl für die Regallagerung von Kleinteilen wie auch als Blocklager dienen können, ohne dass dem Transporteur die Kosten explodieren.

Weil gerade bei kleineren und mittleren Lagergebäuden die Raumausnutzung eine große Rolle spielt, setzt Marks beim aktuellen Projekt die Stützen des Leichtstahlbaus außerhalb der Fassade. Damit gewinnt der Bau 140 Quadratmeter Nutzfläche. Dank der Stützenfreiheit im Inneren sind die Regalsysteme nicht unterbrochen. Das wiederum erleichtert den computergesteuerten Staplern, die durch die Hallen fahren werden, die Arbeit.

Auf Industriebauten spezialisiert sind auch die Architekten um Joseph Pape aus Herford. Schwerpunkt des 13-köpfigen Teams sind Bauten für die Möbel-, Bekleidungs- und Milchindustrie. Ihr im Corporate Design des Discounters Kik gestaltetes Logistikgebäude in Bönen bei Hamm punktet mit neuesten Standards bei der Sicherheit. Neben einer Brandmeldeanlage und einem Einbruchmeldesystem wurde auch eine umfassende Videoüberwachung installiert. Das Büro plante eine Erweiterung der aus vier Trakten bestehenden Halle um eine weitere Einheit mit 10.000 Quadratmetern. Außerdem wurde die Multifunktionshalle in der unmittelbaren Nachbarschaft um ein 34 Meter hohes automatisches Hochregallager mit 3.500 Quadratmetern und 16.000 Palettenplätzen ergänzt. Es gibt jeweils zwölf Tore für Warenein- und -ausgang und 188 zusätzliche Pkw-Stellplätze. 650 Quadratmeter für Büro- und Sozialfunktionen sind den Lagerhallen angegliedert. Hier berücksichtigten die Planer die besonders strengen Brandschutzmaßnahmen für Textilien und installierten eine „Early Suppression Fast Response“-Sprinkleranlage.

Pape, der Architektur und Innenarchitektur unter anderem in Spanien studierte, geht auf eigene Weise an das Zusammenspiel von Design und Funktionalität heran. Während viele Industriearchitekten aus wirtschaftlichen Gründen mit immer gleichen Bauteilen arbeiten, setzt er auf individuelle Lösungen und bezieht die Vorstellungen des Auftraggebers in die Planung ein. „Nur gemeinsam mit dem Bauherrn kann gute Architektur gelingen. Wir wollen einer Marke ein architektonisches Gesicht geben“, sagt Pape. Sein Büro sieht sich als Zusammenschluss von Generalisten mit einem guten Netzwerk aus Fachplanern. Auch wenn man bei Pape keine Lagerhalle von der Stange bekommt, spielt die Ökonomie eine große Rolle. „Das Budget müssen wir natürlich einhalten; das stellen wir durch intensive Baubetreuung sicher“, so Pape.

Während sich kleinere Architekturbüros selbst Fachwissen über Brandschutz und Innenausbau aneignen, lagert das Paderborner Architekturbüro Kühling diese Dinge an Fachplaner aus. Schon das siebente Logistikgebäude für den Online-Riesen Amazon plante es jüngst. „Insgesamt sind bestimmt 20 Fachingenieure an der Planung beteiligt“, sagt Ute Gerken, Architektin für Industriebau bei Kühling. Das Handelsunternehmen bereicherte Deutschland in den vergangenen Jahren mit sieben Logistikzentren. Derzeit sind zwei Projekte mit je 120.000 Quadratmetern im Bau. 450 Meter lang, 170 Meter breit und 12,5 Meter hoch wird das eingeschossige Logistikzentrum, das gerade in Pforzheim entsteht. Dort soll künftig nicht nur das gesamte Amazon-Angebot lagern, sondern es sollen auch Produkte von Handelspartnern Platz finden. In Auftrag gegeben hat dieses Projekt der größte Eigentümer von Logistikimmobilien in Deutschland: Der australische Investor Goodman verfügt hierzulande über rund 1,5 Millionen Quadratmeter Logistikfläche. Für den Rohbau der Amazon-Projekte stellt er als Bauherr 25 bis 30 Millionen Euro zur Verfügung; Amazon wird die Anlagen anschließend mieten.

Seit 1999 besteht das auf Logistik- und Industriebauten spezialisierte Büro Kühling mit seinen sieben Mitarbeitern. Beim Planen achten Kühling und sein Team vor allem auf den sauberen Warenfluss. „Das fängt bei den Außenanlagen an. Heranfahrende Lkw sollen den Fußgängern möglichst nicht in die Quere kommen“, weiß Ute Gerken. Optimale Transportbedingungen herrschen auch zwischen den vier Brandabschnitten einer Halle. Kühlings Team arbeitet hier mit klar strukturierten Wegen und mit Toren zwischen den einzelnen Units. Rampen verbinden die Bereiche auf unterschiedlichen Höhen.

Optik und Gestaltung sind die Stiefkinder der Logistikarchitektur. Doch Architekt Stefan Fehse aus Berlin kann mit seinem Industrieprojekt für die Dronco AG auch gestalterisch punkten. Die Erweiterung einer Produktionsstätte mit Versandabteilung im fränkischen Wunsiedel plante der Betonfan stilsicher und kostengünstig. Den repräsentativen Eingangsbereich verkleidete er mit Lärchenholz aus dem Wald neben dem Grundstück. Der simple und funktionale Bau gewinnt so einen Bezug zur Umgebung, ein Stück Regionalität in einem international agierenden Unternehmen. Die warmen Holzelemente stehen in angenehmem Kontrast zum Sichtbeton. Fehse sieht sich aber nicht als Pionier: „Wir sind keine Architekten, die aus dem Logistikbau eine Schule machen wollen. Warenlager müssen vor allem funktional und wirtschaftlich sein.“

Leila Haidar ist freue Journalistin in Stuttgart.

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