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Die Jugendherberge in Xanten beweist, dass gute Architektur nicht nur eine Frage des Budgets ist.

[ Hotels und Reisen ]

Low-Budget-Baukultur

Gute Architektur fürs preisgünstige Übernachten: Jugendherbergen, Hotels und ein Hostel zeigen, wie es geht

Vorne Sichtholz, hinten Paneele: Gute Materialien und große Fenster stehen für zeitgemäße Gastfreundschaft in der Jugendherberge Xanten.

Text: Simone Hübener

Bodentiefe Fenster, ein großzügiger begrünter Innenhof und breite Flure, die zum Verweilen und Spielen einladen – das sind nur einige der Merkmale, die die Jugendherberge in Xanten von HPP Architekten aus Düsseldorf auszeichnen. Ihre 50 Zimmer ordneten die Architekten zusammen mit den restlichen Räumen wie Küche, Vortragssaal, Bistro und Foyer auf zwei Etagen an, wodurch bei den Gästen nicht das Gefühl entsteht, einfach übereinander gestapelt worden zu sein wie in einem der Kapselhotels, die besonders im asiatischen Raum realisiert werden. Gleichzeitig fügt sich der Baukörper durch die Raumgliederung harmonisch in die Umgebung ein.

Die Jugendherberge liegt direkt an der „Xantener Südsee“ und ist von Wiesen umgeben. Da sie zum großen Teil von den Schätzen der Natur lebt, war es für die Architekten selbstverständlich, das Haus nicht als Solitär zu verstehen, sondern es in einen größeren Zusammenhang einzubetten. Diese Verknüpfung mit der Umgebung nimmt der Gast – wenn vielleicht auch nur unterbewusst – wahr und fühlt sich wohl. Zu dieser „Wohlfühlatmosphäre“ tragen auch die hochwertigen Materialien bei. Die nach außen gerichtete Fassade, hinter der die Zimmer angeordnet sind, ist mit Holz bekleidet, zum Innenhof planten HPP eine Pfosten-Riegel-Fassade, ebenfalls aus Holz, die entweder mit Fenstertüren, mit raumhoher Festverglasung oder roten Holzpaneelen geschlossen ist. Auch als Bodenbelag, beispielsweise im Speisesaal, findet sich Holz in Form eines mittelbraunen Parketts wieder und vermittelt einen hochwertigen Eindruck. Dieser setzt sich in den Zimmern fort, denn mit viel Fingerspitzengefühl konnten die Architekten den Bauherrn davon überzeugen, dass Linoleum besser zu diesem Haus passt und mehr von der gewünschten Qualität vermittelt als der übliche Nadelfilz. Wer Gästehäuser und Hostels mit Teppichboden in den Zimmern und den auf die Dauer unvermeidlichen Flecken kennt, freut sich über diese Entscheidung.

Zum neuen Konzept vieler Jugendherbergen, die vermehrt auch ältere Gäste und Familien anziehen wollen, gehört für jeden Raum ein eigenes Badezimmer – und sei es auch noch so klein. „Das Wort Nasszelle kann man bei der Jugendherberge in Xanten durchaus wörtlich nehmen“, beschreiben die Architekten die wirklich winzigen Bäder, die aber den Komfort in einer Jugendherberge beträchtlich erhöhen. Alles hat seinen Platz, kein Quadratzentimeter bleibt ungenutzt, und sich zu zweit am Waschbecken die Zähne zu putzen, geht einfach nicht. Von Vorteil sind in den Mehrbettzimmern die vom Waschraum getrennten Toiletten.

Die Jugendherberge in Xanten beweist, dass gute Architektur nicht nur eine Frage des Budgets ist.

An dieser Stelle endete allerdings leider der Auftrag der Architekten. Für die Möbel zeichnet das Jugendherbergswerk verantwortlich. Aus der Feder der Architekten stammend, hätten sie sich besser eingefügt und mit cleveren Details den Komfort im Vergleich zu Standardmöbeln erhöht – und wären vielleicht auch nicht teurer gewesen.

Darüber trösten jedoch die anderen Qualitäten hinweg. Der Erfolg des Hauses spricht für sich. Bereits drei Jahre nach der Einweihung begannen die Bauarbeiten für die Erweiterung. Der einst u-förmige Bau wurde – ebenfalls nach Plänen von HPP – an der vierten Seite geschlossen, wodurch 16 neue Zimmer und weitere Seminarräume entstanden sind. Der Innenhof lässt sich zum Essen, Spielen und als Treffpunkt nun noch besser nutzen, da der oftmals strenge Wind außen vor bleibt. Alles in allem also eine Architektur, die die Gäste animiert, ihre Zeit nicht nebeneinander, sondern miteinander zu verbringen, und die den Grundstein für komfortable Ferien legt.

Schlafen in farbigen Nischen

Beim Haus Untersberg der Jugendherberge Berchtesgaden durfte das Stuttgarter Büro Lava auch dort individuelle Lösungen finden, wo in Xanten mit Standardlösungen gearbeitet wurde. Denn beim neuen Berchtesgadener Konzept steht das Zimmer als wichtigster Aufenthaltsbereich des Gastes im Mittelpunkt. So sind die Zeiten, in denen Stockbetten eine ungemütliche Atmosphäre erzeugten und mehr oder weniger störend im Raum standen, seit dem Umbau vorbei. Stattdessen nächtigen die Gäste nun in farbigen Schlafnischen und können sich in ihren Betten hin- und herdrehen, sooft sie möchten, ohne dabei das ganze Bett zum Wackeln zu bringen. Für den Raum unter den Betten entwarfen die Architekten kleine Boxen, in denen Rucksack & Co. verstaut werden können. Auch die eigens für die Jugendherberge angefertigten Schränke bieten den Gästen viel Stauraum; in die Türen eingelassene große Nummern weisen jedem den seinen zu. Diese komfortablen Lösungen lassen die Zimmer gleichzeitig größer erscheinen und vermitteln die Botschaft, dass sie zu mehr als nur zum Schlafen da sind.

Innen bunt, außen bayerisch: In Berchtesgaden setzt man auf die Verbindung von lokaler Bautradition und zeitgemäßer Innenarchitektur, die mit ihren bunten Farben und modernen Formen vor allem Rücksicht auf die Bedürfnisse und Wünsche der jungen Gäste nimmt.

Ein Bad für jedes Zimmer war auch bei der bayerischen Jugendherberge obligatorisch, wobei hier in den Mehrbettzimmern nicht nur Dusche und Toilette getrennt sind, sondern zusätzlich das Waschbecken direkt im Zimmer angeordnet worden ist. Dies bringt es auf der einen Seite mit sich, dass weniger Zeit ins Land geht, bis alle Gäste fertig sind, auf der anderen Seite geht das zu Lasten der Privatsphäre. Für den hohen Komfort in den umgebauten Räumen sorgen wie beim Xantener Haus hochwertige natürliche Materialien. In den Fluren, im Eingangsbereich der Zimmer und unterhalb der Waschbecken findet sich ein helles Linoleum; die restlichen Flächen sind mit massivem Lärchenparkett ausgestattet. Das Foyer wartet mit einem Belag aus Solnhofer Platten auf.

Dort deutet eine knallbunte Streifenwand außerdem einen weiteren wichtigen Punkt des Entwurfs an: das Farbkonzept. „Damit lassen sich kostengünstig tolle Effekte erzielen“, so Sebastian Schott von Lava. Im Foyer stehen die bunten Streifen, die von der Wand in die Decke übergehen, für die Internationalität der Urlauber. Bei genauem Hinsehen findet man tatsächlich die eine oder andere Flagge. In den Gästezimmern unterstreichen die verschiedenen Farben die Zonierung der Räume: Die Außenwände der Badezimmer sind überall dunkelrot gestrichen, in ihrem Inneren ist alles blau. Selbst die Türblätter sind farblich passend innen und außen unterschiedlich lackiert. Für die Schlaf- und Aufenthaltsbereiche haben die Planer mal grüne, mal blaue Farbtöne gewählt, je nachdem, ob sich der Raum im Erdgeschoss, also nahe der Wiese, oder himmelwärts in den Obergeschossen befindet.

Dank dieses gelungenen Umbaus ist im Haus Untersberg die alte muffelige und dunkle Atmosphäre komplett verschwunden. Man darf sich auf die Fertigstellung des gesamten Projekts mit dem Neubau eines Zentralgebäudes und der Modernisierung des Oberhauses freuen.

So einfach wie angenehm: ­Für seine gelungene Verbindung von Architektur, Nachhaltigkeit und Gästefreundlichkeit zu mäßigen Preisen erhielt das Explorer Hotel in Oberstdorf-Fischen den Bayerischen Tourismus-Architektur-Preis artouro.

Werkbänke fürs private Sportgerät

Mit Übernachtungspreisen ab 40 Euro inklusive Frühstück liegt das Design-Budgethotel Explorer in Oberstdorf-Fischen im Allgäu nicht weit über dem Preisniveau von Jugendherbergen. Doch der Bau von Sieber-Renn Architekten aus Sonthofen erfüllt die Bedürfnisse sportlich aktiver Urlauber besser als viele teurere Häuser. Skifahrer im Winter und Radler oder Wanderer im Sommer finden hier, was ihr Herz begehrt: zum Beispiel geräumige, in den Wintermonaten beheizte Schließfächer mit großen Glastüren. Sie bieten inmitten der Lobby viel Platz für das teure Sportgerät. So muss niemand das Snowboard oder Mountainbike in einem Raum deponieren, den alle betreten können und der sich womöglich noch im Keller des Hauses befindet.

Ein Novum an diesem Hotelkonzept, das kurze Zeit später auch im österreichischen Montafon realisiert worden ist, stellt auch die große Werkbank vor den Schließfächern dar, auf der so lange gewachst, geputzt und geschmiert werden darf, bis alles fertig ist für die nächste Tour. In den einzelnen Zimmern, deren Design aus der Feder des Münchener Büros Camp stammt, setzt sich das durchdachte, auf die erwähnte Klientel abgestimmte Konzept fort. Es gibt offene Schränke, Regale, Ablagen und eine Hakenleiste, die an die Möbel der Shaker erinnert. All das bietet viel Platz zum Verstauen der Kleidung und zum Aufhängen von Ski- und Fahrradhelmen. Ansonsten sind die Zimmer mit 19,2 Quadratmetern – das Bad bereits eingerechnet – eher klein, die Balkone mit einer Tiefe von 50 Zentimetern mehr zum Stehen als zum Sitzen gedacht. Das entspricht dem Sparkonzept des Hotels. Wer tagsüber wandert, Ski oder Rad fährt, sitzt am Abend vielleicht noch für einen Drink in der Hotelbar und benötigt sein Zimmer nur zum Duschen und Schlafen. Der Auftraggeber spart durch den geringeren umbauten Raum Kosten beim Bau und beim Unterhalt – man denke nur an die Reinigung der Zimmer oder die Heizkosten –, woraus für den Gast ein günstigerer Zimmerpreis resultiert. Und da es in Fischen und Umgebung bereits genug Restaurants gibt, verzichteten der Bauherr und der Betreiber des Hotels auf eine Vollgastronomie, weshalb die Küche auf kleine 22 Quadratmeter zusammenschrumpfen konnte. Um das Frühstück und ein paar Snacks zuzubereiten, genügt das allemal. Diese Entscheidungen führten in der Summe dazu, dass sich die 76 Zimmer mit ihren 140 Betten und alle Nebenräume in einem kompakten Baukörper unterbringen ließen. Der Gast profitiert von den kurzen Wegen, die Umwelt von weniger Emissionen.

Umweltschutz und Nachhaltigkeit standen bei der ­Planung sowieso ganz oben auf der Agenda. Es entstand das erste zertifizierte Passivhotel Europas, das 95 Prozent weniger CO2 ausstößt als ein vergleichbares herkömmliches Hotel. Damit kann außerdem der Betreiber seine Zimmer besser vermarkten. Glücklicherweise geht das Fischener Team noch einen Schritt weiter, denn mit dem weit ver­breiteten Greenwashing wollte hier niemand etwas zu tun haben. Beim Frühstück und bei den Snacks gibt es keine Um- und Überverpackungen und die verarbeiteten Lebensmittel werden wo immer möglich bei regionalen Anbietern eingekauft.

Für den Gast bringt der sehr gute Wärmedämmstandard mit Dreifachverglasung hohen Komfort mit sich; die kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung sorgt stets für frische Luft. Grün verputzte Wandflächen und unbehandeltes Holz dienen für all das als Zeichen. Das mag etwas plakativ erscheinen, doch bedarf es in unserer visuell orientierten Welt offenbar derart einfacher Botschaften. Beim Explorer Hotel übernimmt das Gebäude zu einem Großteil diese Vermittler­rolle. „Die Architektur verleiht unserer Marke Profil“, sagt Geschäftsführer Jürnjakob Reisigl zum Stellenwert des Gebäudes.

Acht Quadratmeter mit Sternenblick

Eine Preisklasse höher liegt das Seehaus Forelle im pfälzischen Ramsen mit Einzelzimmern ab 75 und Doppelzimmern ab 95 Euro. Doch für das Gebotene ist das nicht viel. Auch hier spielten die Besonderheiten der Umgebung beim Entwurf des Stuttgarter Büros Richter Naumann eine große Rolle. Die Gestaltung des zuerst errichteten „Haeckenhauses“ ist nach außen hin klar und schlicht und erinnert an das Bauhaus. Im Innern wird es dann verspielter und sehr farbenfroh. Sowohl in den Fluren als auch in den Zimmern setzen bunte Wandflächen gekonnt Akzente; die zurückhaltende Architektur wirkt dafür wie ein Verstärker.

Die Zimmer sind individuell: Der Bücherfreund findet eins mit einem großen, gut bestückten Bücherregal. Wer während seines Aufenthalts gerne ein kühles Bad im angrenzenden See nimmt, kann im Erdgeschoss vom eigenen Steg ­direkt ins Wasser springen. Mit einem weiten Blick über die Landschaft wartet das Obergeschoss auf. Die zu einem Zimmer gehörende Dachterrasse verspricht ungestörte Stunden zu zweit. Die individuelle Einrichtung scheint auf den ersten Blick teurer zu sein – sie war es aber nicht. Denn gut ­designte Möbelstücke lassen sich ganz unterschiedlich verwenden und wirken dadurch oftmals völlig anders. Für den Bau selbst wurden hochwertige, aber nur wenige verschiedene Materialien wie Sichtbeton und Birkenholz verwendet. Größere Abnahmemengen reduzierten den Preis.

Da das Haeckenhaus bereits nach kurzer Zeit ein beliebtes Urlaubsziel geworden war, ergriffen die Betreiber die Gelegenheit, nur wenige Jahre später das ehemalige Forsthaus für die Nutzung als Hotel umbauen zu lassen. Es war frei geworden, da der Förster in Rente gegangen und im Zuge dessen sein Revier mit weiteren zusammengelegt worden war. Die verwinkelte Grundriss-Struktur des alten Gebäudes, die möglichst erhalten bleiben sollte, passt bestens ins Konzept. Mit Standardlösungen konnte und wollte hier keiner arbeiten, stattdessen setzten die Architekten Stefanie und Martin Naumann ihre Arbeit in bewährter Art fort: Wenige, sorgfältig ausgewählte Materialien sind kombiniert mit der Einmaligkeit eines jeden Zimmers, das dann auch mal etwas kleiner ausfallen darf. Die Individualität spiegelt sich in den Zimmernamen wider: „Im Wald“ warten auf den Gast einige abstrahierte Bilder von Hirschen und die Stämme verschiedener heimischer Bäume. „Um die Ecke“ muss der Architekt bei einem Umbau des Öfteren denken, um eine sinnvolle Lösung zu finden. Und „Acht Quadratmeter“ sind für ein Hotelzimmer in Kombination mit einem Blick in den Sternenhimmel mehr als genug. Als verbindendes Element für alle Zimmer haben die Architekten ein elegantes Dunkelrot gewählt: mal für die Vorhänge, mal für die Fenstersimse oder die Bettlaken.

Beim Umbau des Forsthauses erwies sich – manchmal vielleicht auch erst auf den zweiten Blick – fast alles als optimal. Einzig die Fenster in den Zimmern sind für heutige Verhältnisse relativ klein, so dass man die Räume schnell als düster empfinden könnte. Dieses „Problem“ hat das Ehepaar Naumann mit einem simplen Trick gelöst: Sie ließen die Flurwände dunkelgrau streichen, so dass man nun aus dem Dunkeln hinein ins „Helle“ tritt. Diese preiswerte Lösung zeigt ebenfalls, dass gute Architekten auch Hoteliers und Gästen mit kleinerem Budget überzeugende Ergebnisse bieten können.

Simone Hübener ist Fachjournalistin für Architektur und Bauen in Stuttgart.

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