Von Marian Behaneck
Ausschreibungsprogramme waren schon in den frühen 80er-Jahren die ersten brauchbaren Software-Werkzeuge für Planer. Mit ihrer Hilfe wurde und wird in den Büros ein beträchtlicher Teil der Honorar-Erträge erwirtschaftet. Sukzessive angereichert mit Funktionen und Modulen für die Baukostenplanung, das Büro- und

Projektmanagement, tragen sie heute dazu bei, dass es rund läuft im Büro und auf der Baustelle. Dennoch verzichten offensichtlich viele Planer auf die Vorteile dieser digitalen Multitalente. Darauf lässt zumindest eine Umfrage des Beratungsunternehmens BauInfoConsult schließen. Nur die Hälfte aller befragten Büros setzt demnach AVA-, dagegen 79 Prozent allgemeine Office-Software wie Word, Excel & Co und 84 Prozent CAD ein. Wann ist AVA- und wann Office-Software besser – und was sind die aktuellen AVA-Softwaretrends?
Office: AVA-Sparprogramm
Aufgrund der Verbreitung von Microsoft Office oder Open Office sind in vielen Büros Textverarbeitungs- und Tabellenkalkulationsprogramme im Einsatz. Nicht nur Bauleistungen werden damit ausgeschrieben, sondern auch die Bürokorrespondenz erledigt, Mitarbeiter- und Projektzeiten erfasst oder der Sicherheits- und Gesundheitsschutz auf Baustellen koordiniert. Das ist billiger, weil kein zusätzliches Programm gekauft und jährlich aktualisiert werden muss. Office-Software ist praktisch auf jedem Büro-PC vorhanden, flexibel, anpassungsfähig und individuell programmierbar. Grundsätzlich lassen sich Ausschreibungen mit jedem besseren Texteditor zusammenstellen. Schließlich ist es nicht (nur) die Software, die für eine gute, vollständige und technisch aktuelle Ausschreibung sorgt, sondern es sind in erster Linie die auf Erfahrungswerten bei der Ausführung oder Abrechnung beruhenden, bürointern ständig verfeinerten und erweiterten LV-Texte.
Schnelle Kostenprognosen und individuelle Auswertungen ermöglichen Tabellenkalkulations-Programme. Wer in Microsoft Excel, Lotus 1-2-3 oder OpenOffice Calc fit ist und zumindest über rudimentäre Programmierkenntnisse verfügt, erstellt mithilfe von Formeln und Makros in Minutenschnelle Kostenschätzungen, individuelle Preisspiegel oder grafische Auswertungen. Office-Profis schwören darauf und setzen diese Programme ausschließlich oder parallel zur AVA-Software ein. Für durchschnittliche Anwender ist der Umgang mit Zeilen, Spalten und Formeln gewöhnungsbedürftig. Abgesehen vom erhöhten Zeitaufwand können Formel-, Verknüpfungs- oder Rundungsfehler Auswertungsergebnisse verfälschen, ohne dass man es gleich merkt. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Wer für die Kostenplanung Excel und für die Ausschreibung AVA-Software einsetzt, läuft Gefahr, dass die Baukosten irgendwann aus dem Ruder laufen, weil Kostenannahmen und reale Preise nicht übereinstimmen. Das kann zwar auch passieren, wenn man ausschließlich AVA-Software nutzt. Aber man merkt es dort früher, weil die Kosten planungs- und baubegleitend dokumentiert werden.
Überall zu Hause
Die eigens für die AVA konzipierten Programme sind im Hoch- und Tiefbau ebenso zu Hause wie in der Tragwerksplanung, in der Haustechnik sowie im Anlagen-, Städte-, Garten- und Landschaftsbau. Sie unterstützen Architekten bei der Ausschreibung von Kleinaufträgen genauso wie bei der Erstellung von mehrere Tausend Seiten umfassenden Leistungsverzeichnissen für Großprojekte. In ihren Kernfunktionen unterscheiden sich AVA-Lösungen aufgrund geltender Normen und Regelwerke (DIN, VOB, REB, GAEB) kaum voneinander: Bauleistungen werden beschrieben und Mengen ermittelt, Angebote geprüft und verglichen, Aufträge vergeben und abgerechnet.
Auch den administrativen Bereich unterstützen AVA-Programme mit zusätzlichen Funktionen zur Adress- und Projektdatenverwaltung oder der Bürokorrespondenz bis hin zum Büromanagement. Präzise Leistungsbeschreibungen, Mengen und Preise ermöglichen exakte Kostenprognosen. Es ist deshalb stringent und logisch, AVA-Software auch für die Kostenplanung einzusetzen, die mit Building Information Modeling (BIM – siehe DAB 6/2010) zusätzliche Impulse erhält. Fast alle deutschsprachigen AVA-Programme bieten mittlerweile auch Kostenplanungsfunktionen oder -module an.
Zu Universalprogrammen haben sich AVA-Programme nicht zufällig entwickelt, sondern als Reaktion der Bausoftware-Hersteller auf Anwenderwünsche, Markterfordernisse und den Wettbewerb. Das hat einerseits Vorteile: eine einheitliche Datenhaltung und Benutzerführung, die Vermeidung mehrmaliger Eingaben und dadurch bedingter Datenredundanzen sowie einen durchgängigen „Workflow“. Aber es hat auch Nachteile: So müssen alle Funktionen mitbezahlt werden, auch jene, die man eigentlich gar nicht braucht. Abgesehen davon macht die Funktionsvielfalt die Programme komplexer.
CAD + AVA = LV?
Leistungsverzeichnisse und Baukosten auf Knopfdruck gibt es nicht, auch wenn das die Werbung teilweise so vermittelt. Viele Planer ermitteln Massen, mit Dreikantmaßstab und Taschenrechner bewaffnet, immer noch aus dem ausgedruckten CAD-Plan. Das hat viele Gründe. Schon der Planungsprozess schafft Hürden: Aus Zeitdruck wird bereits ausgeschrieben, obwohl wichtige formale oder strukturelle Fragen noch gar nicht geklärt sind. Sind sie geklärt, folgen oft noch Änderungen, die letztlich Nachträge zur Folge haben. Hinzu kommt die immer noch starke Verbreitung der 2-D-CAD-Planung, die nicht die Vorteile einer modellorientierten Mengenermittlung bieten kann. Doch selbst wer dreidimensional konstruiert, berücksichtigt nicht alles, was AVA-relevant ist. Auch ein BIM-Gebäudedatenmodell ist eine Abstraktion, das viele Baudetails nicht berücksichtigt. Dieses Problem wird von den Herstellern mehr oder weniger praxisgerecht gelöst. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass Standardbauteile zwar automatisch ausgewertet werden, dass aber immer noch viel „von Hand“ ermittelt oder über Erfahrungswerte in der Ausschreibung berücksichtigt werden muss. Aus diesen Gründen – und weil die Prüfung der automatisch übergebenen Daten auf Korrektheit häufig mehr Aufwand generiert als eine manuelle Ermittlung – spielt die „automatische“ Mengenübergabe in vielen Büros immer noch keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Darauf haben sich Programme wie AVANTI, CIP AVA und Leonardo AVA eingestellt und bieten auf Basis von CAD- oder eingescannten Plänen ein der gewohnten Arbeitsweise adäquates grafisches Aufmaß (GRAVA).
AVA-Trends
Neue Entwicklungen halten die AVA-Software jung, etwa das mobile und Cloud Computing. Gemeint ist damit der mobile Einsatz von IT- und Kommunikationstechnologien, respektive der plattform-, zeit- und ortsunabhängige Zugriff auf Programme, Daten, Speicher- oder Rechenkapazitäten über Datennetze. Über sogenannte Terminalserver-Verbindungen können mehrere Planer jetzt schon von unterschiedlichen Standorten aus gemeinsam an einer Ausschreibung feilen oder, wie bei AVAscript.net von Bechmann, Baustellen-Aufmaßdaten für die Rechnungsprüfung online abrufen. Online lassen sich Ausschreibungstexte oder Preise von Drittanbietern wie STLB Bau – Dynamische BauDaten, Heinze BauOffice, sirAdos oder von Bauprodukt- oder AVA-Herstellern wie Orca (www.ausschreiben.de) abrufen. Vorteil der kostenpflichtig oder kostenfrei herunterladbaren LV-Texte ist deren Vollständigkeit, Aktualität und Normenkonformität. Allerdings sind sie nicht immer brauchbar, da teilweise zu allgemein oder zu produktspezifisch. Auch erste Apps für Smartphones gibt es bereits. So erspart beispielsweise der iGAEB-Viewer von Gripsware das Herumschleppen dicker LV-Order. Werden GAEB-LVs auf das iPhone oder iPad übertragen, hat man LV-Texte, Mengen und Preise auf der Baustelle per Knopfdruck parat.
Auch nutzungsabhängig abgerechnete Web-Anwendungen gibt es bereits: Mit Architext Pallas online oder dem neuen NetBAU Globe von Sidoun ist ein passwortgeschützter Online-Zugriff auf AVA-Programm und Projektdaten möglich. Auch der Austausch von Ausschreibungsdaten und die elektronische Vergabe von Bauleistungen hat sich mit Einführung des Datenaustausch-Standards GAEB-XML etabliert. Eine wachsende Anzahl an Online-Ausschreibungs- und Vergabeplattformen unterstützt teilweise auch den rechtsverbindlichen und verwaltungskonformen Vergabeprozess, inklusive digitaler Signatur. Auch deshalb wird der aktuelle GAEB DA XML-Standard immer wichtiger, für den inzwischen die AVA-Programme Architext Pallas, G&W California.pro, ARRIBA Planen und RIB iTWO vom Bundesverband für Bausoftware (BVBS) zertifiziert worden sind.
Was bietet der AVA-Markt?
Rund 40, meist unter Windows laufende AVA-Programme konkurrieren um einen noch entwicklungsfähigen Markt. Eine aktuelle Übersicht bietet www.ava-bau.info. Daneben gibt es Low-Cost- und Shareware-Lösungen, unter Linux und Mac OS laufende oder auf bestimmte Gewerke spezialisierte Lösungen. Die Preise liegen zwischen null (AVAplan Studio BASE, ava.bau shareware) und mehreren Tausend Euro, abhängig vom Funktionsumfang. Hinzu können Kosten für Zusatzmodule, Schnittstellen oder LV-Texte kommen (zwischen 300 und 1.500 Euro). Einige Programme sind 25 Jahre und älter, was den Arbeitsfluss hemmen kann. Deshalb sollte man bei der Software-Auswahl nicht nur auf den Funktionsumfang achten (Texte, Schnittstellen, inklusives Bietermodul etc.), sondern auch Fragen zur Aktualität der Programm- und Datenbanktechnik, zum letzten Update/Upgrade oder zur Anwenderzahl und -struktur stellen.
Marian Behaneck ist freier Fachjournalist in Jockgrim (Pfalz).