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Bekenntnisse: Minister Peter Ramsauer bezieht Stellung für die HOAI, für offene Wettbewerbe und für die „Führungsrolle der Architektur“. Foto: Till Budde

[ Deutscher Architektentag 2011 ]

„Raus in die Gesellschaft“

Deutscher Architektentag, Architekturpreis, Workshops und noch viel mehr: Dresden als Zentrum der Baukultur und Baupolitik

Von Roland Stimpel

„Für eineinhalb Tage ist Dresden Deutschlands Architektenhauptstadt“, stellte Sachsens Kammerpräsident Alf Furkert stolz fest. Mitte Oktober traf man an jeder prominenten Ecke der Stadt Baumeister und Baupolitiker: rund um den Neumarkt auf dem Weg ins Museum Albertinum, wo sie die Gewinner des Deutschen Architekturpreises ehrten. Am Altmarkt und im Kongresszentrum am Elbufer, wo sie berufspolitisch um HOAI, Haftung und Wettbewerbe rangen. In der Musikhochschule, wo statt eines Streichquartetts ein diskutierendes Architekturquartett auftrat. In der Neustadt, wo Daniel Libeskinds Militärhistorisches Museum eröffnet wurde. Und zugleich, in größter Ballung, im Großen Garten, wo einen ganzen Tag lang die mehr als 500 Teilnehmer des Deutschen Architektentags über die Verantwortung des Berufs, aber auch die Verantwortung der Gesellschaft für eine gedeihliche Baukultur diskutierten.

Das klingt abstrakt, doch immer wieder wurde es mitten im Fachlichen und Politischen auch persönlich. Bundesminister Peter Ramsauer stellte seine Aufgabe als Bauministers vor die des Verkehrsministers, plauderte über seine Bauherren-Erfahrungen als Mühlenbesitzer und Abgeordneter zur Zeit des Berliner Reichstagsumbaus und wünschte sich von Architektur „auch Geborgenheit und Nestwärme“. Er selbst wärmte den Saal mit dem Bekenntnis zu einer verbesserten HOAI als „wichtigster baupolitischer Rahmenbedingung“ und mit seiner Selbstbindung: „Das Wettbewerbswesen muss gepflegt und gefördert werden“ – denn „insbesondere offene Wettbewerbe bieten Chancen für Lösungsvielfalt, für kleinere und jüngere Büros“.

Auf Ramsauers Forderung, „Die Architektur muss ihre Führungsrolle und ihren Mitgestaltungsanspruch selbstbewusst einbringen“, ging Bundesarchitektenkammer-Präsident Sigurd Trommer gern ein. Er erinnerte daran, „dass nicht nur der Bauherr, sondern stets auch die Öffentlichkeit unser Auftraggeber ist“. An den eigenen Stand appellierte er: „Wir müssen Fragen aushalten, Haltung zeigen und Farbe bekennen. Und wir müssen raus in die Gesellschaft und nicht passiv abwarten, bis uns jemand fragt.“

In Dresden luden Architekten die Gesellschaft ein. Die Publizistik war aktiv durch den stellvertretenden „Stern“-Chefredakteur Dominik Wichmann vertreten, der zu Vitruvs drei Prinzipien ein viertes empfahl: die „Continuatio“, die den Zusammenhang der Architektur mit ihrer Umwelt und ihre Vernetzung gewährleisten soll. Die Politik war neben Ramsauer und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich gleich mit fünf Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen vertreten. Sebastian Körber von der FDP will mehr Chancen für junge und kleine Büros – „da spreche ich aus eigener Erfahrung.“ Sein CDU-Kollege Arnold Vaatz mahnte Bauherren: „Sie haben die finale Verantwortung für den Bau.“ Bettina Herlitzius von den Grünen rang mit einem Widerspruch: „Wie will man gleichzeitig Planungen verkürzen und mehr Bürgerbeteiligung fördern?“ Heidrun Bluhm von der Linkspartei will „mehr öffentliche Kommunikation, auch in der Wettbewerbsphase“. Sören Bartol von der SPD schließlich wünschte sich „in Städten mehr kompetentes Personal, das öffentliche Baukultur gewährleisten kann.“ Hier stieß er bei seinen Kollegen auf überparteilichen Konsens.

Einhelligkeit gab es auch vor und nach dem Architektentag. Am Morgen danach verabschiedete die Bundeskammerversammlung der Architekten ihre „Dresdner Erklärung“, die eine umfassende Baukulturpolitik, mehr Unterstützung für ganzheitliche Lösungsansätze sowie leistungsstarke Bauverwaltungen fordert. Am Abend zuvor war David Chipperfield ebenso einhellig mit dem Deutschen Architekturpreis für sein Neues Museum in Berlin ausgezeichnet worden. Hier lobte der frühere Bauherr, Museumschef Peter Klaus Schuster, neben dem Ergebnis auch den Prozess mit seinen vielen Beteiligten. Chipperfield sei „der babylonischen Polyvokalität kongenial gewachsen“ gewesen. Dieser drückte es einfacher aus: „Die Arbeit am Neuen Museum war das pralle Leben.“ Das galt auch für Dresdens Tage als Architekten- Hauptstadt.

Diskutierte Verantwortung – Die Workshops auf dem Deutschen Architektentag

Mit Bürgern planen

Nein, nicht immer muss es so laufen wie bei Stuttgart 21. Alexander Wetzig ist Baubürgermeister in Ulm und sozusagen Kronzeuge für die segensreichen Seiten der Bürgerbeteiligung – dokumentiert an der Entstehung der „Neuen Mitte“ von Ulm: „Die Bürgerschaft hat sich vor dem Ulmer Rathaus einen Platz erkämpft, der ein Gewinn für die ganze Stadt ist.“ Ihm geht es nicht darum, eine vorab festgelegte Planung durchzusetzen, sondern den gesamten Planungsprozess öffentlich zu organisieren. Doch Ulm ist nicht die Regel. Viele Workshop-Teilnehmer nicken wissend, als die Landschaftsplanerin und Wissenschaftlerin Bettina Oppermann aus Hannover zu bedenken gibt, dass „es eine allgemeine Angst vor partizipativen Wettbewerbsverfahren gibt“, und zwar sowohl unter den Planern als auch bei der Verwaltung. Ab wann müssen die Bürger einbezogen werden? Sollten in Wettbewerbsjurys gar Bürger, also Laien, ein Wort mitzureden haben? Es sind vor allem Fragen, die in der Diskussion aufgeworfen werden. Auf die wenigsten gibt es schon Antworten. Cornelia Dörries

Nachhaltig gestalten

Nicht nur Verantwortung lässt sich von Architekten gestalten, auch die Nachhaltigkeit. Damit sie aber nicht als fehlgeleitete Modeerscheinung verpuffe, dürfe sie nicht auf rein quantifizierbare Kriterien reduziert werden, meinte Sebastian El khouli, Direktor des Programms „Architecture for a sustainable future“ im Weltverband UIA. Vielmehr brauche sie, wie die Architektur, eine Haltung. Ingo Schoenheit, der zu Markt, Umwelt und Gesellschaft an der Universität Hannover forscht, schlug für einen nachhaltigen Konsum zwei Pfade vor: Zum einen müssten mehr nachhaltige Produkte produziert und konsumiert werden (Effizienzstrategie), zum anderen sollte die Lebensqualität ohne noch mehr Produkte verbessert werden (Suffizienzstrategie). Fazit der Anschlussdiskussion: Der Berufsstand muss sich insbesondere beim nachhaltigen Bauen seiner Leitfunktion bewusst sein und sich viel öfter sagen, wo es langgeht. Und dazu muss in den Hochschulen bereits eine neue Entwurfsmethodik gelehrt werden. Carmen Mundorff

Vernetzt handeln

Der bei Architekten oft beschworene Generalismus ist für Dagmar Jäger von der TU Cottbus nicht neu, wird aber immer wichtiger: „Architekten mussten immer schon viel wissen und interdisziplinär arbeiten. Aber heute haben Kommunikation und Teamarbeit wachsende Bedeutung in der Architektentätigkeit.“ Ein praktisches Beispiel gab der Hannoveraner Architekt Oliver Seidel, der mit einem Netzwerk von Kolleginnen und Kollegen quer durch Europa unter dem Namen „Cityförster“ erfolgreich ist. „Wir denken verstärkt in Szenarien, nicht mehr in Masterplänen“, erläuterte Seidel die Herangehensweise seines Büros. Die Cityförster betrachteten ihre Aufgaben im Bereich der Quartiersentwicklung und Stadtplanung weniger als Projekte, sondern von einem systemischen Ansatz aus. „Eigentlich arbeiten wir als Mega-Generalisten – transdisziplinär, international, und blicken dabei über das eigentliche Projekt hinaus.“ Weitere Workshop-Teilnehmer betonten, dass im Team auch eine Mischung der Altersgruppen und Erfahrungsstufen wünschenswert sei. Christof Rose

Politisch bauen

Wie betreiben Architekten Politik? Laura Fogarasi-Ludloff repräsentiert scheinbar das eine Extrem. „Bauen ist unser Werkzeug, Politik zu machen“, sagt die Berlinerin. Der Hannoveraner Enno Hagenah steht auf den ersten Blick für die Gegenposition: „Wer ernsthaft Landtagsabgeordneter sein will, hat keine Chance, zugleich den Beruf auszuüben.“ Doch im Workshop über Architekten und Politik näherten sich beide einander an. Fogarasi-Ludloff hat mit Kollegen eine Initiative zur Grundstückspolitik gegründet – „denn da reicht Bauen allein als Politikgestaltung nicht mehr aus“. Und Hagenah verfolgt in Niedersachsens Landesparlament Planer- und Architektenziele wie den Aufbau von Hannovers Regionalverband und den Erhalt des abrissbedrohten Landtagsbaus. Seine Basis sieht er nach wie vor in der Architektur und nicht in der Politik: „Das ist nur eine Berufung auf Zeit.“ Und er ruft seine Kollegen zu mehr Engagement auf: „Architekten sind gut vernetzt. Sie nutzen es nur viel zu wenig!“ Roland Stimpel

Die Unterstützer

Drei mit unserem Beruf und unseren Themen verbundene Unternehmen haben zum Gelingen des Deutschen Architektentages beigetragen:

  • AIA AG
  • Beuth Verlag GmbH
  • SAB Sächsische Aufbaubank

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