Von Thomas G. Merkel
Nach wie vor ist der AVA-Markt – im Gegensatz etwa zum CAAD-Bereich – geprägt durch eine bunte Vielfalt zahlreicher Anbieter und Lösungen. Über 40 AVA-Systeme listet beispielsweise eine Marktübersicht auf. Der Wettbewerbsdruck sorgt seit Jahren für eine Differenzierung des Angebots – in inhaltlicher wie auch preislicher Hinsicht. Das Spektrum reicht von Programmen, die im Wesentlichen den klassischen Kernbereich von Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung bedienen, bis zu weitergreifenden Lösungen, die den Aufgabenbereich AVA nach dieser oder jener Seite erweitern. Der unterschiedlichen Ausrichtung und Ausstattung der einzelnen Programme entspricht eine große Spannbreite des Preisrahmens, der von wenigen Hundert bis zu einigen Tausend Euro reichen kann. Selbst als Freeware ist AVA-Software zu erhalten, wenn auch nur als abgespeckte Variante der jeweiligen Vollversion.
Die eingeführten AVA-Systeme sind in den Kernbereichen heute auf einem guten Entwicklungsstand. Dank langjähriger Standardisierung klappt auch der Austausch von Ausschreibungsdaten in der Regel problemlos. Allerdings fordert Professor Joaquín Díaz, Bauinformatiker an der FH Gießen-Friedberg, den immer noch präsenten Austauschstandard GAEB 90 durch den aktuellen Standard GAEB DA XML zu ersetzen. Damit stehen AVA-Daten plattform- und geräteunabhängig auch für mobile Einsatzmöglichkeiten zur Verfügung, wie sie zum Teil heute schon verfügbar sind und in absehbarer Zeit für die nachrückende „Online-Generation“ der Anwender selbstverständlich sein werden. Auch für die Nutzung von Online-Ausschreibungs- und -Vergabeplattformen ist die Einhaltung des aktuellen
GAEB-Standards notwendig.
Ein weiteres Muss für zeitgemäße AVA-Systeme ist die Möglichkeit, bei der Erstellung von Leistungsverzeichnissen auf Daten zurückzugreifen, die von spezialisierten Anbietern aktuell, normengerecht und rechtssicher geliefert werden: neutrale oder produktbezogene, DIN- und VOB-gerechte Ausschreibungstexte beziehungsweise Leistungsverzeichnis-Texte, Bauelement-Kataloge und Weiteres, das kostenfrei als Freeware oder kostenpflichtig auf CD-ROM oder online zum Download angeboten wird. Handelt es sich hier doch um die eigentlichen Inhalte, die vom AVA-System verarbeitet werden. Der Münchener Bau-IT-Berater Robin Loew-Albrecht meint, von der Nutzung und Qualität dieser Daten „lebt die Qualität einer Ausschreibung weit mehr als von den Produkt-Spezifika dieses oder jenes AVA-Werkzeugs. Entscheidend ist der Inhalt.“
Je vergleichbarer die AVA-Programme in ihren Kernfunktionen werden, umso wichtiger wird es für die Hersteller, sich durch Erweiterungen des Leistungsumfangs zu profilieren und weitere Aufgaben beziehungsweise Prozesse in die Systeme einzubeziehen. Hier gibt es etwa den Ansatz, die AVA als Teilbereich in den Rahmen einer modular konzipierten Büro- oder Geschäftslösung zu stellen, die darüber hinaus Aufgabenfelder integriert, wie zum Beispiel Honorarermittlung und -abrechnung, Zeiterfassung und internes Projekt- beziehungsweise Büro-Controlling, Adressverwaltung, Dokumentenmanagement, Terminkalender und mehr.
Schon seit Jahren haben sich einige AVA-Hersteller auch des Themas der Baukosten angenommen. Die HOAI 2009 verschafft diesem Aspekt nun noch breitere Aufmerksamkeit. Bekanntlich ist nach der neuen HOAI die Kostenberechnung die Grundlage der Honorarabrechnung. Ebenfalls neu ist die Möglichkeit einer Baukostenvereinbarung mit Bonus-Malus-Regelungen. Beides verlangt vom Architekten eine ebenso frühe wie zuverlässige Kostenermittlung – noch vor Vertragsabschluss. Im Planungsverlauf sind dann kostenwirksame Störfaktoren, wie zum Beispiel Planungsänderungen beim Bauherrn, zu dokumentieren und zu beziffern. Und schließlich wird zum Erreichen des vereinbarten Kostenziels eine wirksame Budgetkostenkontrolle unumgänglich. Was hätte – aus Anwendersicht – mehr Charme, als diese Aufgaben an das eingeführte System AVA-Software andocken zu können?
Abschließend noch ein Blick auf die Dauerbaustelle CAD/AVA-Kopplung. Seit Jahren lockt hier die Verheißung der automatischen Erzeugung von Leistungsverzeichnissen aus den CAD-Daten, des LV auf Knopfdruck. Jetzt aber, stellt Joaquín Diaz fest, „gibt es Entwicklungen, die wirklich funktionieren – noch allerdings mit der Beschränkung auf CAD-AVA-Kombis aus einer Hand, sprich auf jeweils einen Herstellers.“ Ob der BIM-Ansatz (Building Information Modeling: die Integration aller Gebäudedaten in ein digitales Modell) und die IFC-Standardisierungsbemühungen den CAD/AVA-Übergang auch in der Breite befördern werden? Robin Loew-Albrecht bleibt zurückhaltend, sieht neben marktpolitischen Strategien der Hersteller auch die hergebrachte Arbeitsweise der Architekturbüros („Wer zeichnet, wer schreibt aus? Wann?“) vorerst als Hemmnisse. Dazu kommt die in der Branche eher zurückhaltende Verbreitung des 3-D-Konstruieren, eine Grundvoraussetzung für das BIM. Diese Sicht teilt auch Diaz, gibt sich aber – ganz Bauinformatiker – zuversichtlicher: „Binnen fünf bis zehn Jahren wird der Prozess AVA im BIM aufgehen. Und bis dahin“, so sein Fazit, „wird es noch viel Neues geben.“
Thomas G. Merkel arbeitet als freier Journalist in Berlin.