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[ Solararchitektur ]

Die Sonnenkönige kommen

Solar ist Trend. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage ist 90 Prozent aller Deutschen Ausbau und Nutzung regenerativer Energien wichtig. Drei Beispiele zeigen, wie Architekten Trends mit der Sonne erfolgreich aufnehmen und umsetzen können.

Von Leila Haidar und Michael Sudahl

Die enorme Resonanz für alternativen Strom überrascht den Solar-Architekten Rolf Disch nicht. Schon in den 1970er Jahren kämpfte der heute 66-Jährige gegen den Bau des Atomkraftwerks in Whyl am Kaiserstuhl – mit Erfolg. In einer Reihe mit Bauern, Bürgerrechtlern und zukünftigen Grünen-Politikern verhinderten die Kraftwerksgegner damals den Meiler. Und der Freiburger Architekt fasste einen Entschluss: Häuser sollten nicht auf Atomstrom angewiesen sein.

Umweltzerstörung und der sorglose Umgang mit natürlichen Ressourcen bringen den gelernten Möbelschreiner und Maurer in Rage: „Wir leben energetisch auf viel zu großem Fuß. Umweltsünde ist ein Verbrechen“, sagt er. Eines seiner Projekte zeigt, dass energetisches Bauen vor allem eines sein kann: modern und ansprechend. Sein Kind ist der bekannte Heliotrop. Ein zylinderförmiger Turm, dessen 54 Quadratmeter großes Solarsegel aus monokristallinem Silizium sich automatisch der Sonne zuwendet. Abgeschaut bei Mutter Natur: Wie bei einer Sonnenblume wird durch die Drehung die optimale Sonneneinstrahlung erreicht.

Seine Solarideen bezieht Disch aus seinem Hobby: Mit eigens konstruierten Sonnenfahrzeugen fährt er internationale Rennen. Bei der Solar Challenge 1987, einer 3200 km langen Rundfahrt quer durch Australien, wurde er sogar Weltmeister. Im Kleinen testete er bereits hier seine Konzepte und nutzt daraus entstehende Impulse für die Architektur. In den 41 Jahren, in denen sein Büro besteht, hielt der Planer Vorträge und nahm an vielen Solar-Kongressen teil, erwarb Wissen, lernte Experten und Interessenten kennen und richtete gezielt sein Büro quasi nach der Sonne aus.

Heute reicht Dischs Portfolio von der Beratung einzelner Kunden bis zur Planung ganzer Siedlungen. Mit Marktanalysen und Machbarkeitsstudien hat sich der Freiburger einen Expertenruf erworben. Heute sind alle seine Aufträge Solarprojekte. Um sein neustes Vorhaben, das Plusenergiehaus zu pushen, schrieb er im vergangenen Jahr sämtliche Bürgermeister in Deutschland an. „Mit 300 Gemeinden stehen wir heute bezüglich neuer Solarprojekte in Kontakt“, beschreibt Disch den Erfolg der 11.000 Briefe-Aktion. Überhaupt sind Marketing und Pressearbeit die großen Stärken seines zwölf Mitarbeiter starken Büros. Er oder seine Leute halten mehrmals in der Woche Vorträge über Solarbauweise. Ministerien, Behörden oder Universitäten gieren nach solchen Informationsveranstaltungen, sagt sein Pressesprecher Tobias Bube. Der bis nach Shanghai fliegt, um im dortigen Goethe-Institut vom Know-how des Büros zu berichten.

Vorbild für Neues war und ist die Solarsiedlung in Freiburg – Dischs Projekt zur Expo 2000. Die 59 Wohnhäuser erwirtschaften einen Stromüberschuss von 36 Kilowattstunden. Diesen will der Solarpionier noch auf mindestens 40 steigern. „Passiv- und Niedrigenergiehaus sind passé, wir müssen unsere Gebäude solar aktivieren“, bringt es der Architekt auf den Punkt. Typisch für seine Bauweise sind die überhängenden Solardächer. Der Dachüberstand schirmt die steile Sommersonne ab, während die Strahlen der Wintersonne tief in die Innenräume eindringen können. Solarthermische Kollektoren erwärmen außerdem das Brauchwasser. Harmonisch in das Gesamtbild integriert, werden die Module auf dem Dach nicht als störend empfunden. Auch das nachträgliche Aufschrauben der Energiesammler bei bereits bestehenden Gebäuden muss mit guter Planung nicht unschön aussehen, meint Disch. Bedauerlich findet er jedoch die niedrige Nachrüstquote von nur einem Prozent. Es scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben, dass sich Investitionskosten für Solaranlagen ab der ersten Stunde rechnen. Eingespeister Solarstrom vergütet der Staat aktuell mit fast 40 Cent pro Kilowattstunde.

Ein anderer, erfolgreicher Architekt ist Günter Pfeifer. Jedoch nutzt er neben der Sonne auch die Erdwärme als Energielieferanten für seine Gebäude und setzt mit seinen Projekten auf eine energetisch optimierte Bauweise – möglichst ohne Technik. Pfeifers Vorbild sind autochthone Gebäude. Durch kompakte Bauweise nähern sich seine Objekte der Ur-Bauform zum Beispiel des Schwarzwaldhauses oder anderer vergleichbarer Haustypen an. Wärmepumpen, künstliche Dämmmaterialien und Solarmodule findet man in Pfeifer-Plänen selten. Das 2005 fertig gestellte Patchworkhaus, ein Zweifamilienhaus im badischen Müllheim, ist nach diesem autochthonen Prinzip gebaut. Wände und Dach bilden eine klimaaktive Fassade. Unter einer transluzent Polycarbonatschicht liegt eine Holzwand. Die Sonne durchdringt das lichtdurchlässige Material und erwärmt das als Wärmespeicher fungierende Massivholz. Nach und nach gibt diese Speichermasse gesammelte Energie in Innenräume ab. So werden Wand und Dach zur Solarheizung, weil die erwärmte Luft als Heizungssystem thermodynamisch durchs Haus geleitet wird. Schon seit 35 Jahren nimmt der Architekt autochthone Gebäude und deren Prinzipien als Vorbild für seine Bauwerke. Integrierte Treibhäuser, so genannte Energiegärten, fungieren bei ihm als Wärmequelle. Sie verbessern das Mikroklima im Haus.

Pfeifer ist kritisch. Mehrfach ausgezeichnet vertritt der Partner des Architekturbüros Pfeifer Kuhn Freiburg, die Meinung, dass sich die moderne Architektur zunehmend von traditionellen Prinzipien entfernt, statt bewährte Konstruktionen weiterzuentwickeln. Seine Expertise entwickelte der in Schopfheim Geborene vor allem durch jahrelange Forschungsarbeiten, nachzulesen in zahlreichen Fachpublikationen. Seit fast 20 Jahren steht er zudem etlichen Analysen rund um energetisches Verhalten von Bausubstanzen, Wärmeleitfähigkeit und Isolationsverhalten als Universitätsprofessor vor. Sein neustes Projekt ist ein Leitfaden für Architekten. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern erhebt Pfeifer Daten zu Arten und Auswirkungen passiver Solarstrategien. Ziel der Arbeit ist es, Vergleichswerte zu ermitteln anhand derer passive Technologien für Gebäude entwickelt werden können.

„Die beste Möglichkeit, energetisch sinnvollen Bauens ist es, Energie zu sparen“, sagt Manfred Hegger. Der Vorstand der HHS Planer + Architekten AG macht sich für eine Symbiose aktiver und passiver Solartechnologien stark. Sein Schlüsselerlebnis hatte der Planer vor 37 Jahren, am ersten autofreien Sonntag im November 1973. Schon während der Ölkrise wurde dem heute 64-Jährigen klar, dass Deutschland nicht länger vom schwarzen Gold der Opec abhängig sein sollte. Seither plant und baut der Kasseler nach ökologischen Aspekten und setzt auf alternative Energien. Ende April erhielt er zudem den Energy Efficiency Award für die Planung einer Fabrik in Kassel, die Wechselrichter für Solaranlagen herstellt. Umweltfreundlich bezieht der 25.000 Quadratmeter große Industriebau seine Energie komplett aus einem eigenen Solarwerk. Den Strom für die Produktion liefern zwei zusätzliche biogasbetriebene Blockheizkraftwerke. Außerdem nutzt die Wechselrichterfirma die Abwärme der Maschinen zum Heizen der Werkshalle. „Die besondere Herausforderung war jedoch, die energieintensive Beleuchtung CO2-neutral umzusetzen“, erzählt Hegger. Denn in der Hightech-Produktion muss es taghell sein. Für die kleinteiligen Herstellungsprozesse strahlen die Lampen mit bis zu 1000 Lux von den Decken. Allerdings passen sich die Leuchten automatisch dem Tageslicht an. Das ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern spart dem Betreiber enorme Stromkosten.

Ausgestattet ist das 28-Millionen-Projekt mit Fotovoltaikanlagen, die auf das Dach montiert oder in die Oberlichter der Produktionshalle integriert werden. Die Vordächer über dem Hof und einer Außenterrasse nutzte der Architekt ebenfalls als Solar-Fläche. Insgesamt erwirtschaften die Anlagen bis zu 1,2 Megawattstunden. Was nicht ganz billig zu haben war. Alleine die Solarelemente kosteten 4,5 Millionen Euro. Weil nach Heggers Symbiose-Idee ein Bau nicht nur den eigenen Energiebedarf erwirtschaften muss, sondern diesen auch auf ein Minimum reduzieren sollte, hat er weiter optimiert. Neben der optimalen Ausrichtung des Gebäudes und der Fensterverteilung, nutzt auch er hinterlüftete, also klimaaktive Fassaden als Isolations- und Wärmeschicht.

Optisch setzt Hegger die schwarzen Solarmodule als gestalterisches Element ein. In seinen Projekten sind die Fotovoltaikanlagen keine aufgeschraubten Kraftwerke, sondern filigran in Fassade oder Dach integriert. Nutzen und Optik spielen gekonnt zusammen. „Ich möchte erreichen, dass Solarmodule vom Betrachter nicht mehr als störend wahrgenommen werden“, beschreibt Hegger seine Ästhetik. Diese Strategie hat Erfolg. Sein Büro mit 30 Mitarbeitern bearbeitet nur noch Sonnenprojekte. Dabei wird im Einzelfall nach Wunsch und Geldbeutel des Bauherrn geprüft, welche Art der Solartechnik besser passt, aktive oder passive.

Um solartechnologisch führend zu bleiben, schult die HHS-AG ihre Mitarbeiter regelmäßig. Mit dem aufgebauten Expertenwissen soll die Stellung im Markt gefestigt werden. Auch intern floriert der Wissenstransfer. Zur jährlichen „HHS-Bar“ referieren die Teammitglieder im Kollegenkreis über Solar- oder andere Energiethemen. Hegger und seiner Mannschaft kommt außerdem das gestiegene Umweltbewusstsein zupass. Zertifizierungen und der jährliche „Tag der Architektur“, bei dem Architektenkammern zum Besichtigen zeitgenössischer Baukultur einladen, heizen den Solarmarkt an. Für die Aktiengesellschaft erfreulich: Bereits seit Jahren ist das Umsatzvolumen gleich bleibend hoch.

Solar ist Trend – darin sind sich die Sonnenarchitekten einig. Aber die Realität ist immer noch eine andere. Laut aktuellen Zahlen des Bundesumweltministeriums liegt der Einsatz von alternativen Energien am gesamtdeutschen Bedarf bei nur zehn Prozent. Optimistisch betrachtet ist das allerdings ein beachtlicher Wachstumsmarkt. Vor allem für Planer und Architekten.

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